Muttermilch-Antikörper senken Allergie-Risiko bei Landkindern19. Dezember 2025 © S.Kobold – stock.adobe.com (Symbolbild) Kinder, die in landwirtschaftlichen Gemeinschaften aufwachsen, entwickeln seltener Allergien als Gleichaltrige in Städten. Eine neue Studie zeigt: Ihr Immunsystem reift schneller, wobei Muttermilch eine wichtige Rolle spielt. In einer prospektiven Geburtskohorte wurden Säuglinge aus Familien der Old Order Mennonites (OOM) in der Region der Finger Lakes (USA) mit Kleinkindern aus städtischen und vorstädtischen Haushalten in Rochester (USA) verglichen. Die Forschenden fanden heraus, dass Babys aus landwirtschaftlich geprägten Familien mehr „erfahrene“ B-Zellen und höhere Konzentrationen schützender Antikörper während des ersten Lebensjahres aufwiesen. Die im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlichte Studie wurde geleitet von Dr. Kirsi Järvinen-Seppo vom Golisano Children’s Hospital in Rochester. „Wir wissen seit Langem, dass Kinder aus Old-Order-Mennoniten-Gemeinschaften bemerkenswert gut vor Allergien geschützt sind“, so Järvinen-Seppo. „Unsere Daten zeigen nun, dass ihre B-Zell- und Antikörperantworten gewissermaßen dem Entwicklungszeitplan voraus sind. Das Immunsystem dieser Kinder scheint früher in der Lage zu sein, mit Nahrungsmitteln und Umweltantigenen umzugehen, ohne überzureagieren.“ Frühere Reifung der Antikörperproduktion Das Team begleitete Mütter und Säuglinge von der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Lebensjahres und analysierte Nabelschnurblut, Säuglingsblut, Stuhl, Speichel und Muttermilchproben. Während eine frühere Publikation derselben Kohorte T-Zell-Aspekte beleuchtete, konzentrierte sich die aktuelle Arbeit auf die B-Zell-vermittelte Immunität – also die Bildung spezifischer Antikörper und deren Unterschiede zwischen bäuerlich und urban geprägten Lebensweisen. Säuglinge, die auf landwirtschaftlichen Betrieben aufwuchsen, wiesen mehr Gedächtnis- und IgG⁺-B-Zellen auf, was auf eine frühere Reifung des Antikörpersystems hinweist. Zudem waren die Spiegel von IgG- und IgA-Antikörpern in Blut, Speichel und Stuhl erhöht; ebenso fanden sich höhere IgA-Konzentrationen in der Muttermilch der Mütter. Zusammengenommen deuten diese Befunde auf ein robusteres, aktiveres humorales Immunsystem bei traditionell aufwachsenden Säuglingen hin. Ei-spezifische Antikörper und Hühnereiallergie Ein zentraler Befund betraf Eiantikörper und die Entwicklung einer Hühnereiallergie – eine der häufigsten Nahrungsmittelallergien im Kindesalter. Die Forschenden bestimmten IgG4- und IgA-Antikörper gegen Hühnereiproteine in Blut und Muttermilch und verfolgten, welche Kinder später eine Allergie entwickelten. OOM-Säuglinge zeigten deutlich höhere Spiegel von Ei-spezifischem IgG4 im Blut, und OOM-Mütter hatten erhöhte Konzentrationen von Ei-spezifischem IgA in der Muttermilch. Unter den städtischen Familien war ein höherer Antikörperspiegel mit einem verringerten Risiko einer Hühnereiallergie assoziiert. Bei einer Dreiteilung der Gruppen – OOM, nicht allergische städtische Kinder und städtische Kinder mit Hühnereiallergie – zeigte sich ein klarer Gradient: höchste Antikörperspiegel in der Mennoniten-Muttermilch, niedrigste bei Müttern allergischer Säuglinge, intermediäre Werte bei Müttern nicht allergischer Kinder. „Wir beobachteten ein Kontinuum – je mehr Ei-spezifische Antikörper in der Muttermilch, desto geringer das Risiko einer Hühnereiallergie“, erläutert Järvinen-Seppo. „Auch wenn wir kausale Zusammenhänge nicht nachweisen können, ist die Assoziation eindeutig überzeugend.“ Nicht jede Muttermilch ist gleich Stillen wird seit Langem mit einem geringeren Risiko für Atopische Dermatitis und obstruktive Atemwegserkrankungen im Säuglingsalter in Verbindung gebracht. Der Nachweis einer präventiven Wirkung gegen Nahrungsmittelallergien ist hingegen weniger konsistent. Nach Einschätzung von Järvinen-Seppo liegt dies möglicherweise an immunologischen Unterschieden in der Muttermilch: „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass das Vorhandensein hoher Spiegel nahrungsmittelspezifischer Antikörper in der Muttermilch besonders protektiv sein kann. Da jedoch nicht jede Mutter solche Antikörper bildet, könnte dies erklären, warum frühere Studien zu stillassoziiertem Allergieschutz so unterschiedliche Ergebnisse zeigen.“ Warum Mennonitinnen höhere Spiegel Ei-spezifischer Antikörper aufweisen, könnte mit ihren Essgewohnheiten zusammenhängen. Da diese Familien meist eigene Hühner halten und regelmäßig Eier konsumieren, führt die wiederholte Exposition zu einer verstärkten Bildung entsprechender Antikörper – die sowohl im Kreislauf als auch in der Muttermilch nachweisbar sind. „Wie eine Infektion oder Impfung ihre Antikörperspiegel erhöhen kann, kann auch der regelmäßige Verzehr bestimmter Lebensmittel diesen Effekt haben“, sagt Järvinen-Seppo. „Mennoniten-Mütter essen mehr Eier – und geben dadurch wahrscheinlich mehr Ei-spezifische Antikörper über die Muttermilch an ihre Kinder weiter.“ Darüber hinaus zeigte die Studie Unterschiede in Antikörpern gegen andere Umweltallergene bereits bei Geburt: OOM-Säuglinge hatten im Nabelschnurblut höhere Spiegel von IgG- und IgG4-Antikörpern gegen Hausstaubmilben und Pferde, während städtische Neugeborene höhere Werte gegen Erdnuss und Katze aufwiesen. Zudem konnten mehrere Nahrungsantigene sowie Antigen-spezifisches IgA bereits im Nabelschnurblut nachgewiesen werden – ein Hinweis, dass intrauterine Antigenexpositionen bereits die frühe Immunentwicklung prägen könnten. „Farm-Effekt“ auf das Immunsystem Obwohl die mütterliche Ernährung und Antikörper in der Muttermilch im Zentrum dieser Arbeit stehen, betont Järvinen-Seppo, dass der sogenannte „Farm-Effekt“ multifaktoriell ist. Mennonitische Familien unterscheiden sich in vielen Lebensstilparametern, die das Immunsystem beeinflussen können – etwa durch den täglichen Kontakt mit Nutztieren und Mikroorganismen, die Nutzung von Brunnenwasser, geringeren Antibiotikagebrauch, längeres und häufigeres Stillen sowie ein unterschiedliches Darmmikrobiom, das bereits in früheren Untersuchungen dokumentiert wurde. Die OOM-Kohorte dient dem Forschungsteam inzwischen auch als Modell für präventive Strategien. Das URMC leitet derzeit eine randomisierte klinische Studie, die schwangere Frauen bis in die Stillzeit verfolgt. Teilnehmerinnen werden zwei Gruppen zugeteilt: eine, die während der späten Schwangerschaft und frühen Laktation regelmäßig Ei und Erdnuss konsumiert, und eine, die diese vermeidet. Ziel ist die Untersuchung der resultierenden Antikörperspiegel bei den Müttern und der Entwicklung von Nahrungsmittelallergien bei ihren Kindern. „Wir wissen bereits, dass die frühe Einführung von Erdnuss und Ei in die kindliche Ernährung das Allergierisiko senken kann“, so Järvinen-Seppo. „Nun prüfen wir, ob mütterliche Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit über die übertragenen Antikörper eine zusätzliche Schutzschicht bietet. Unser langfristiges Ziel ist es, das aus diesen landwirtschaftlichen Gemeinschaften gewonnene Wissen in praktische, sichere Präventionsstrategien für alle Familien zu übersetzen.“ (ins)
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