Nach COVID-19-Pandemie: Gesundheitsversorgung fast normal – Risiken für Ältere bleiben

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Während der COVID-19-Pandemie brach die Zahl der Arztbesuche in Europa dramatisch ein – besonders unter älteren Menschen und chronisch Kranken. Eine neue Studie zeigt nun: Die Versorgung hat sich zwar in fast allen Ländern wieder erholt ‒ allerdings nicht für alle Patientengruppen.

Die europaweite Studie unter Leitung des Heidelberg Institute of Global Health (HIGH) der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg belegt, dass sich der Zugang zur ambulanten Gesundheitsversorgung für Menschen ab 50 Jahren nach den massiven Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie in fast allen europäischen Ländern wieder normalisiert hat. Besonders ältere Menschen und Patienten mit chronischen Erkrankungen waren jedoch überproportional von Versorgungslücken betroffen. Gerade sie benötigen jedoch regelmäßige Arztkontakte, berichten die Wissenschaftler in „The Lancet Regional Health – Europe“.

Die Forschenden um Ko-Studienleiterin Dr. Anna Reuter, ehemals Wissenschaftlerin am HIGH, jetzt am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), betonen, dass diese Gruppen in Zukunft enger überwacht werden müssen, um gesundheitliche Folgen von Versorgungsunterbrechungen frühzeitig zu erkennen und durch gezielte Strategien abzufedern.

Internationaler Vergleich ermöglicht umfassende Einschätzung

Für die Studie wurden die Daten von mehr als 147.000 Personen ab 50 Jahren aus 27 europäischen Ländern aus dem Zeitraum 2004 bis 2022 analysiert. Grundlage war der europaweit vergleichende „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe“ (SHARE). Damit liege erstmals ein länderübergreifendes, langfristiges Bild der Versorgungslage älterer Bevölkerungsgruppen vor, betonen die Autoren.

Für eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Ländern ermittelte das Team anhand der Daten vor der Pandemie die Anzahl der Arztbesuche für eine Referenzperson im Alter von 75 Jahren ohne chronische Beschwerden. Demnach lag 2019 die Anzahl der Arztbesuche einer solchen „Vergleichsperson“ in Schweden am niedrigsten und in Luxemburg am höchsten. Deutschland belegte einen der oberen Plätze. Frauen hatten im Schnitt mehr Arztbesuche zu verzeichnen als Männer.

Drastischer Einbruch der Arztbesuche während der Pandemie

Während der COVID-19-Pandemie war der Rückgang in Italien am stärksten: Hier kamen die Arztbesuche fast zum Erliegen. Am geringsten brachen die Arztbesuchszahlen während der Pandemie in Deutschland ein: Es fanden etwas weniger als die Hälfte der ohne Pandemie üblichen Arztbesuche statt.

Die Studie zeigte auch, dass in Ländern mit höheren Gesundheitsausgaben die Anzahl an Arztbesuchen während der Pandemie weniger stark zurückging.

Versorgung erholt sich – aber nicht für alle

Nach der Pandemie erholten sich die Arztbesuchszahlen zumeist wieder. In Slowenien, Luxemburg und Polen blieben sie jedoch mit 64 bis 85 Prozent teils deutlich unter den Vor-Pandemie-Werten.

Vor allem ältere und chronisch kranke Menschen reduzierten ihre Arztkontakte überproportional, obwohl sie regelmäßige Untersuchungen am dringendsten benötigen. Ebenso war die Erholung der Arztbesuche im Jahr 2022 in diesen Gruppen nicht gleichmäßig.

Gerade Menschen, die älter als 75 Jahre waren oder an chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Hypertonie, vorausgegangenem Herzinfarkt oder Schlaganfall litten, gingen nach der Pandemie seltener zum Arzt, 50- bis 60-Jährige hingegen etwas häufiger. Dies liege vermutlich am Nachholbedarf bezüglich Vorsorgeuntersuchungen, vermuten die Autoren. Auch an Krebs erkrankte Patienten suchten nach der COVID-19-Pandemie wieder häufiger einen Arzt auf.

Forderung nach Strategien für zukünftige Pandemien

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich der Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung ab 50 Jahren in Europa weitgehend normalisiert hat. Doch gerade ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen dürfen nach einer solchen Krise nicht aus dem Blick geraten. Nach dieser Pandemie muss sichergestellt werden, dass sie dauerhaft in der Versorgung bleiben – und für künftige Pandemien brauchen wir Strategien, um Unterbrechungen der Behandlung frühzeitig abzufedern“, erklärt Reuter.

Die Studie ist Teil des europäischen Forschungsprojekts SHARE COVID-19 und wurde im Rahmen von Horizon 2020 von der Europäischen Union gefördert.