Nach Frühgeburt und frühem Trauma: Forschung des DZPG setzt auf digitale Technologien

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Eine Frühgeburt und frühkindliche (Gewalt-)Traumata können gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit im weiteren Lebensverlauf haben. Am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) arbeiten Forschende an gezielten Maßnahmen.

„Wir wissen, dass frühkindliche Traumatisierung das Risiko für verschiedene psychische Störungen erhöht – von Posttraumatischen Belastungsstörungen über Depressionen bis hin zu Angst- und Persönlichkeitsstörungen”, sagt Prof. Thomas Ehring, Forscher am DZPG-Standort München-Augsburg.

Auch Vernachlässigung und emotionale Misshandlung ohne körperliche Gewalt erhöhen das Risiko. Ein zentraler Forschungsschwerpunkt am DZPG ist es daher, die psychischen Folgen früher Traumata wie die häufig auftretende Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) in individuellen Ausprägungen zu verstehen und therapeutische Maßnahmen gezielt auf einzelne Betroffene und ihre Bewältigungsstrategien abzustimmen.

Dabei setzen die DZPG-Forschenden auch auf digitale Technologien. Durch Smartphone-gestützte Erhebungen werden das Alltagsverhalten, emotionale Reaktionen und soziale Interaktionen von Betroffenen analysiert. „Wir nutzen diese Technologien, um individuelle Profile für die Vorhersage erstellen und die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen überprüfen“, erklärt Ehring.

E-Health-Unterstützung für Familien

Auch Forscher um Prof. Annette Conzelmann vom DZPG-Standort Tübingen setzen auf digitale Innovationen. Sie haben eine App entwickelt, die eine frühe Diagnostik psychischer und körperlicher Auffälligkeiten bei Frühgeborenen ermöglicht. „Eltern fühlen sich nach der Klinikentlassung oft auf sich allein gestellt und sind unsicher, worauf sie achten müssen. Unsere App bietet Screening-Tools, psychoedukative Materialien und einen Messenger für den direkten Austausch mit Fachkräften“, erklärt Conzelmann. „Ganz einfach abrufbar, mit einer Hand beim Stillen“, so die Forscherin. So können Eltern und Behandler in der Klinik erste Problem-Anzeichen erkennen und bei Bedarf kann niedrigschwellig eine frühe Intervention erfolgen, bevor sich Probleme ausprägen.

Denn auch Frühgeburten stellen ein erhebliches Risiko für die spätere Gesundheit dar. „Mögliche körperliche Probleme betreffen die Lunge, das Herz, das Seh- und Hörvermögen oder das Essverhalten. Psychische Probleme können frühe Regulationsstörungen wie Schrei- und Schlafprobleme oder später ADHS- und Autismus-Symptome oder umschriebene Entwicklungsstörungen sein. Auch im späteren Leben steigt das Risiko für schulische Probleme, Depressionen, Ängsten oder Essstörungen“, so Conzelmann. „Viele dieser Probleme entwickeln sich schleichend. Unser Ziel ist es, bereits subklinische Anzeichen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren und auch die Eltern zu stärken.“

Personalisierte Interventionen im Fokus

Das DZPG hat dabei die Überführung der Forschungserkenntnisse in die Praxis fest im Blick, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung des DZPG. „Geplant ist, präventive und therapeutische Maßnahmen auf individuelle Risikoprofile abzustimmen”, sagt DZPG-Gründungssprecher Prof. Andreas Meyer-Lindenberg. „Unser langfristiges Ziel ist eine frühe und passgenaue Versorgung von Betroffenen“, ergänzt Prof. Andreas Heinz, ebenfalls Gründungssprecher des DZPG. „Denn je früher psychische Belastungen erkannt und behandelt werden, desto besser sind die Chancen auf eine gesunde Entwicklung.“