Nach Schlaganfall wieder sprechen lernen

Freiburger Wissenschaftler testen den Einsatz der Brain-Computer-Interface-Technologie für die Rehabilitation von Patienten mit Sprachstörungen nach Schlaganfall. (Foto: © andreaobzerova – Fotolia.com)

Sprachstörungen sind eine häufige Folge von Schlaganfällen. Ein vielversprechender neuer Therapieansatz zur Wiedererlangung des Sprachvermögens nutzt die Neuroplastizität und setzt an der „Reparatur“ der durch Einblutung oder Blutgerinnsel gestörten Gehirnregelkreise für die Sprache an.

Jeder Schlaganfall ist anders, sowohl was das Ausmaß als auch die betroffenen Bereiche angeht. „Wie wir heute wissen, stellt er jedoch fast immer eine komplexe Netzwerkstörung dar“, erklärt Prof. Cornelius Weiller, Kongresspräsident der in dieser Woche beginnenden 63. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGKN in Freiburg.

Im gesunden Gehirn werden Gedanken, Wahrnehmung und Handlungen fortwährend über interne Regelkreise (“closed-loops“) abgeglichen, sodass Verhalten und Hirnaktivität aufeinander abgestimmt sind. Der Schlaganfall zerstöre nicht nur das direkt geschädigte Hirnareal, sondern beeinflusse vor allem auch die Netzwerkstruktur und -funktion des Gehirns. „Eine komplexe Leistung wie etwa die Sprache besteht aus vielen Einzelfunktionen wie Worterkennung oder Lippenbewegung, die in verschiedenen Teilen des Gehirns angesiedelt sind. Diese Regelkreise werden durch ein Netzwerk koordiniert – und bei einem Schlaganfall entsprechend beeinträchtigt“, erläutert der Direktor der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg.

Entsprechend umfassend und anspruchsvoll gestalte sich die Behandlung: „Wir kommen deshalb weg von einer Rehabilitation, die für alle Patienten identisch ist, hin zu einer nach Möglichkeit maßgeschneiderten persönlichen Therapie.“ Dafür nutze man die Erkenntnisse über die sogenannte Neuroplastizität des Gehirns: „Die Hirnforschung hat gezeigt, dass im Falle einer Schädigung eines Teiles des Gehirns andere Teile die Funktion für das geschädigte Gebiet übernehmen können. Und diesen Prozess der Übernahme können wir durch gezielte Modulation zunehmend beeinflussen“, sagt der Facharzt für Neurologie, Intensivmedizin und Geriatrie.

„Ein Ansatz besteht darin, den Patienten das gestörte Netzwerk durch ein Feed-Back-System selbst „reparieren“ zu lassen“, berichtet Weiller über eine Studie, bei der Dr. Mariachristina Musso und Dr. Michael Tangermann von der Universität Freiburg erstmals den Einsatz der BCI-Technologie (Brain-Computer-Interface) für die Rehabilitation von Patienten mit Sprachstörung getestet haben. Der Patient muss das richtige Wort am Ende eines Satzes erkennen und bekommt „live“ eine Rückmeldung über seine dafür eingesetzte Gehirnaktivität, die über ein EEG erfasst wird.

„Konkret werden von dem BCI-System typische Gehirnaktivitäten gemessen, die beim Verarbeiten von Zielwörtern und Nicht-Zielwörtern anders als bei Gesunden ausfallen. Das System gibt dem Patienten ein Feedback, ob er die Aufgabe gut gelöst hat, also ob er beim richtigen Wort eine dem Zielwort entsprechende Hirnaktivität verwendet hat“, so Weiller weiter. Durch dieses Sofort-Feedback können die Patienten die geeignete Strategie finden, mit der eine Erholung ihrer Sprachfunktion möglich ist. Der Therapieerfolg bleibe dabei nicht auf die Übung selbst beschränkt, sondern „generalisiere“.

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Quellen Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN)