Nachweis erbracht: Genmutation in Chloridkanal löst Hyperaldosteronismus aus

Kalzium-Messungen von Aldosteron-produzierenden Zellen der Nebenniere. Sind die Zellen blau, ist die Kalzium-Konzentration in diesen Zellen niedrig. Grüne und rote Zellen haben eine erhöhte Kalzium-Konzentration, was die Produktion von Aldosteron zur Folge hat. Foto: © Audrey H. Soria

Erst kürzlich wurde aufgedeckt, dass mehrere Patienten mit Hyperaldosteronismus eine genetische Mutationen im ClC-2 Chloridkanal in sich tragen. Dass diese Mutationen tatsächlich auch Krankheitsauslöser sind und wie die veränderten Kanäle die Krankheit verursachen, das konnten jetzt Forscher von dem Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und dem Max-Delbrück-Centrum (MDC) erstmals anhand eines neuen In-vivo-Modells zeigen.

Mit der Arbeit haben die Forscher nicht nur einen wichtigen Krankheitsmechanismus Schritt für Schritt entschlüsselt, sondern auch Grundlagen für die weitere Erforschung des komplexen Krankheitsbildes gelegt. Die Ergebnisse sind soeben im Fachjournal „Nature Communications“ erschienen.

Bis vor kurzem wusste man wenig über die pathologischen Mechanismen der auch als Conn-Syndrom bezeichneten Erkrankung. Im Jahr 2018 konnten die Pariser Wissenschaftler um Dr. Maria-Christina Zennaro in Zusammenarbeit mit den Berliner Kollegen vom FMP und MDC sowie eine weitere Gruppe aus Deutschland und den USA um Prof. Ute Scholl vom Berlin Institute of Health (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin erstmals nachweisen, dass bei betroffenen Patienten eine Mutation im Gen für den ClC-2-Chloridkanal vorliegt. Sechs verschiedene Mutationen wurden bislang beschrieben (publiziert in Nature Genetics 2018). Unklar war allerdings der kausale Zusammenhang zwischen Genmutation und Überproduktion von Aldosteron. Diese Lücke haben nun die Forscher von FMP und MDC geschlossen.

Kausalität zwischen Mutation und Krankheit bewiesen

Das Team um Prof. Thomas Jentsch, der die erste Chloridkanalfamile, zu der auch ClC-2 gehört, vor fast 30 Jahren als Erster entdeckt hatte, untersuchte die beschriebenen Mutationen zunächst in vitro. Dabei fanden die Forscher, dass alle bisher bekannten, vermeintlich Hyperladosteronismus verursachenden ClC-2-Mutationen den Chloridstrom des Kanals drastisch erhöhen.

Um den Beweis zu erbringen, dass die Erhöhung des Chloridstroms von ClC-2 zu Hyperaldosteronismus führt, haben die Forscher anschließend ein Mausmodell entwickelt, das ClC-2 über eine andere, „künstliche“ Mutation aktiviert. Die genetisch veränderten Mäuse wiesen enorm erhöhte Chloridströme in den Aldosteron-absondernden Zellen auf, was unter anderem zu einem starken, pathologischen Anstieg der Aldosteron-Konzentration im Blut der Nager führte.

Daraus resultierte – genau wie bei Patienten – ein krankhaft erhöhter Blutdruck und sekundär eine verringerte Renin-Aktivität, ein Hormon, das normalerweise die Aldosteronproduktion erhöht. Somit konnten die Forscher den Nachweis erbringen, dass die Mutation ursächlich an der Krankheitsentstehung beteiligt ist.

Chloridkanal stetig geöffnet

„Wir haben gesehen, dass der Kanal durch die Mutationen ständig geöffnet ist, wodurch die elektrische Spannung über die Zellmembran der Hormon-produzierenden Zelle stark verändert wird. Dadurch kommt es zu einem Einstrom von Kalzium, was wiederum zu einer Überproduktion von Aldosteron führt“, erläutert Dr. Corinna Göppner, die zusammen mit Dr. Ian Orozco Erstautorin der Studie ist und gerade über ClC-2 promoviert hat.

„Was sich aufgrund des mutierten Chloridkanals genau im Organismus abspielt, das haben wir an unserem Modell erstmals Schritt für Schritt in allen Details zeigen können“, so die Biologin weiter. „Insofern hat unsere Arbeit hervorragend die humangenetischen Befunde ergänzt und erweitert.“

Bestes Modell, um Hyperaldosteronismus zu erforschen

Das in Berlin-Buch entwickelte Maus-Modell ist das erste In-vivo-Modell, das die Krankheit mit all seinen Symptomen komplett abbildet, und gilt als das bisher beste seiner Art. Es ist also perfekt dafür geeignet, die pathologischen Mechanismen des Hyperaldosteronismus weiter zu erforschen und auch sekundäre Effekte wie Langzeitschäden zu identifizieren.

Leichte Nierenschäden haben die Forscher bereits sehen können, aber sie erhoffen sich noch mehr davon: „Wir gehen im Moment davon aus, dass ein ständig geöffneter Chloridkanal auch Einfluss auf andere Organe haben könnte“, sagt Gruppenchef Jentsch. Hierüber wisse die Medizin derzeit leider noch wenig, dabei sei das Thema Langzeitfolgen für Patienten hoch relevant. „Unser Mausmodell kann definitiv bei der Aufklärung helfen, was wieder mal die Relevanz der Grundlagenforschung für die Klinik zeigt.“

Publikation: Corinna Göppner, Ian J. Orozco, Maja B. Hoegg-Beiler, Audrey H. Soria, Christian A. Hübner, Fabio L. Fernandes-Rosa, Sheerazed Boulkroun, Maria-Christina Zennaro, Thomas J. Jentsch. Pathogenesis of hypertension in a mouse model for human CLCN2 related hyperaldosteronism, Nature Communications 2019, 15 Oct. DOI: 10.1038/s41467-019-12113-9


Weitere Informationen:

https://www.nature.com/articles/s41467-019-12113-9