Narkose geht auch klimafreundlich12. Februar 2025 Gemeinsames Engagement in der Anästhesiologie: Roland C. E. Francis (2. v. l.) mit dem interprofessionellen Team für mehr Nachhaltigkeit sowie den beiden federführenden Oberärzten Christopher Schmitt (4. v. l.) und Axel Scholler (r.). (Foto: ©Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen) Die Anästhesiologie des Uniklinikums Erlangen hat ein Strategiekonzept für mehr Nachhaltigkeit entwickelt. Eine Kehrseite der medizinischen Maximalversorgung ist die Klimabilanz: Weltweit hinterlassen Kliniken bisher sehr große CO2-Fußabdrücke. Vor allem Narkosegase sind ein Faktor, der in Krankenhäusern einen relevanten Anteil der Emissionen verursacht. Das möchte ein interprofessionelles Team der Anästhesiologischen Klinik unter Klinikdirektor Prof. Roland C. E. Francis des Uniklinikums Erlangen ändern. 2024 entwickelte es ein Strategiekonzept für mehr Nachhaltigkeit, das seitdem sukzessive umgesetzt wird. Interdisziplinäres Vorgehen „Unsere Klinik und damit das gesamte Uniklinikum verzichtet seit Monaten vollständig auf den Einsatz des klimaschädlichen Anästhetikums Desfluran. Auch alternative Narkosegase wie Sevofluran kommen nur noch bei begründeten Ausnahmen zur Anwendung“, erläutert Francis. „Stattdessen nutzen wir bei Vollnarkosen standardmäßig das intravenöse Propofol. Es bietet zusätzlich zu einem günstigen ökologischen Fußabdruck hohen Patientenkomfort.“ Weitere strategische Ansätze für mehr Klimaschutz in der Anästhesiologie sind eine Reduzierung des Energieverbrauchs sowie die Verringerung von Einweg-Abfällen. „Die Sicherheit unserer Patientinnen und Patienten steht für uns nach wie vor an oberster Stelle“, betont Dr. Christopher Schmitt, Oberarzt der Anästhesiologie. „Deshalb haben wir bei jedem einzelnen Schritt für mehr Nachhaltigkeit unsere Mitarbeitenden integriert und sie umfassend in den neuen Abläufen geschult. Unser Strategiekonzept bezieht alle Berufsgruppen der Klinik gleichberechtigt ein.“ Wechsel des Narkosegases hat mehrere Vorteile „Bei einer einstündigen Narkose mit Desfluran entstehen Emissionen, die einer Autofahrt von Erlangen nach Flensburg entsprechen“, verdeutlicht Schmitt die bisherige Umweltbelastung. „Allein die alternative Verwendung des Narkosegases Sevofluran reduziert die Schadstoffe signifikant, sodass diese lediglich jenen einer Autofahrt von Erlangen nach Nürnberg entsprechen.“ Hinzu komme, dass ohne den Einsatz von Desfluran künftig auch die Nutzung der zugehörigen energieintensiven Verdampfer entfällt. Und: „Wenn wir Sevofluran als Alternative verwenden, arbeiten wir mit definierten Einstellungen für einen reduzierten Frischgasfluss beim Rückatmungssystem. Das verringert die benötigte Menge an Narkosegas“, erläutert Dr. Axel Scholler, Oberarzt der Anästhesiologie. Denn auch Sevofluran hat in der Atmosphäre eine Lebensdauer von etwa 1,4 Jahren. Diese ist zwar deutlich kürzer als die von Desfluran (14,1 Jahre), trägt aber dennoch zum globalen Erwärmungseffekt bei. Verzicht auf Narkosegase lässt Energieverbrauch sinken Positiv komme hinzu, dass die eingeschränkte Nutzung von Narkosegasen den Energieverbrauch im OP massiv reduziere, weil weniger medizinische Druckluft benötigt werde, erklärt Scholler: „Jede einzelne eingesteckte Narkosegasabsaugung verbraucht sehr viel Energie, und das völlig unabhängig davon, ob das Narkosegerät überhaupt läuft.“ Deshalb setzt die Anästhesiologie des Uniklinikums Erlangen inhalative Anästhetika wie Sevofluran nur dann ein, wenn es Vorteile für die Patientin bzw. den Patienten oder für den operativen Eingriff bietet. „Die Total Intravenöse Anästhesie, kurz TIVA, mittels Propofol wird als Standardverfahren für die Narkose eingesetzt und die Narkosegasabsaugungen werden nur beim tatsächlichen Einsatz von Sevofluran eingesteckt“, so Scholler. „Neben den ökologischen Vorteilen bietet eine Narkose mittels TIVA für unsere Patientinnen und Patienten eine gute Verträglichkeit und ein angenehmes Aufwachen.“ Recycling und Müllvermeidung als nächste Schritte Nach der erfolgreichen Reduzierung der klimaschädlichen Narkosegase geht das interprofessionelle Team des Uniklinikums Erlangen jetzt die nächsten Punkte seines Strategiekonzepts für mehr Nachhaltigkeit an: „Dazu gehört das Recycling von OP-Instrumenten wie den sogenannten Staplern, die beim Wundverschluss verwendet werden, und die systematische Müllvermeidung durch die Umstellung von Einweg- auf Mehrwegartikel“, kündigt Sandra Bischoff an. Die OP-Pflegefachfrau engagiert sich ebenfalls im Nachhaltigkeitsteam der Anästhesiologie. „Auch dafür arbeiten wieder alle beteiligten Berufsgruppen Hand in Hand, denn nur so können die neuen Prozesse nachhaltig implementiert werden.“
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