Natur als Vorbild: Forscher entwickeln neuartige Entzündungshemmer

Phospholipid-Struktur der Zellmembran. (Bild: Jiva Core, AdobeStock)

Forschende am Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben ein Verfahren entwickelt, um entzündungshemmende Stoffe auf Basis von Bestandteilen menschlicher Körperzellen in kontrollierter Qualität herzustellen. Die Substanzen werden vom Körper nicht als Fremdstoffe erkannt und bieten daher Vorteile gegenüber körperfremden Entzündungshemmern wie Ibuprofen oder Diclofenac. 

“Wir versuchen nachzumachen, was die Natur vormacht”, sagt Prof. Karsten Mäder vom Institut für Pharmazie der MLU. Denn die neuartigen Entzündungshemmer kommen im menschlichen Körper natürlich vor, beispielsweise auf der Innenseite von Körperzellen. Stirbt eine Zelle, kehrt sie ihr Inneres nach außen, genauer gesagt einen bestimmten Bestandteil ihrer Zellmembran: Phosphatidylserin (PS). Das gibt Fresszellen das Signal, diese tote Zelle zu verdauen. Dass hierbei keine Entzündungsreaktion stattfindet, auch dafür sorgt PS. Ähnliches passiert in der Lunge, die beim Einatmen mit sehr vielen Fremdstoffen konfrontiert ist. Hier sorgt ein weiteres Phospholipid, das Phosphatidylglycerol (PG), dafür, dass es keine übertriebene Entzündungsreaktion gibt, erklären die WissenschaftlerInnen.

Mäders Arbeitsgruppe hat diese Substanzen nun so aufbereitet, dass sie potenziell als Arzneimittel genutzt werden könnten – mögliche Einsatzgebiete sind Infarkte, Arthritis oder Schuppenflechte.

Medizinisch sind beide Phospholipide deshalb interessant, weil der Körper sie nicht als Fremdstoffe erkennt, wodurch weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind, betonen die ForscherInnen. Eine Studie aus den USA habe bereits gezeigt, dass besonders PS gegen die Entzündung nach einem Herzinfarkt wirkt. “Allerdings war die Herstellung der Zubereitung aufwendig”, so Mäder. In der halleschen Arbeitsgruppe wurde nun ein Herstellungsverfahren entwickelt, das wesentlich einfacher und kostengünstiger ist.

Die Phospholipide bilden dabei kleine Teilchen unter zehn Nanometern, weswegen sie einfach steril zu filtrieren sind. Sie erwiesen sich außerdem als nicht schädlich für Körperzellen und Blutbestandteile. Vor allem die so hergestellten PG-Teilchen verringerten unter Laborbedingungen die entzündliche Aktivität der Fresszellen, erklären die Forschenden. “Die Ergebnisse weisen auf ein hohes Potenzial der Phospholipide für anti-entzündliche Therapien hin”, bilanziert Mäder die Forschungsarbeit.

Damit die natürlichen Entzündungshemmer beim Menschen angewendet werden können, seien jedoch noch mehrjährige klinische Studien nötig. Die Forschung wird vom Phospholipid Research Center in Heidelberg unterstützt.

Originalpublikation:
Klein et al. Phosphatidylserine (PS)- and phosphatidylglycerol-(PG)-enriched mixed micelles (MM): a new nano-drug delivery system with anti-inflammatory potential? European Journal of Pharmaceutical Sciences (2020). https://doi.org/10.1016/j.ejps.2020.105451