Nervenfasern für Sprache beim Schimpansen entdeckt

Nervenfasern im Gehirn eines Schimpansen. (Quelle: © MPI CBS)

Die Sprachverarbeitung beim Menschen basiert auf der neuronalen Verbindung zwischen Spracharealen im Gehirn. Dieses Sprachnetzwerk galt bisher als einzigartig für den Menschen. Nun haben Forschende eine solche Verbindung auch im Gehirn von Schimpansen nachgewiesen.

Wie die Wissenschaftler unter der Leitung des Max-Planck-Institutes für Kognitions- und Neurowissenschaften und in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und dem Alfred-Wegener-Institut zeigen konnten, weist dieses direkte Nervenfaserbündel, der Fasciculus arcuatus (AF), das beim Menschen die Sprachareale verbindet, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Schimpansen eine Verbindung zum mittleren Schläfenlappen (MTG) auf. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die für Sprache entscheidende neuronale Architektur beim Menschen nicht völlig neu entstanden ist“, erklärt Erstautor Yannick Becker. „Sie hat sich wahrscheinlich aus einer evolutionär älteren, bereits vorhandenen Struktur weiterentwickelt. Die Verbindung ist bei Schimpansen viel schwächer ausgeprägt als beim Menschen und erlaubt möglicherweise deshalb nicht die komplexe menschliche Sprache.“

Für ihre Studie konnten die Forschenden auch Gehirne von wildlebenden Schimpansen aus dem Urwald, die auf natürliche Weise gestorben waren, mit hochauflösender Magnetresonanztomographie untersuchen. „Mit bisher unerreichter Präzision konnten wir so den detaillierten Verlauf der Nervenfasern zwischen den verschiedenen Hirnarealen sichtbar machen“, beschreibt Alfred Anwander, Letztautor der Studie, die Methode. Dabei zeigte sich, dass in allen der zwanzig untersuchten Schimpansen-Gehirnen eine solche Nervenfaserbündel-Verbindung zum mittleren Schläfenlappen nachweisbar war – ein Merkmal, das bislang als ausschließlich menschlich galt.

Wie die Autoren der Studie schreiben, ist es wahrscheinlich, dass diese neuronale Architektur, die eine komplexe Kommunikation unterstützt, bereits beim letzten gemeinsamen Vorfahren der Menschen und der Schimpansen vor sieben Millionen Jahren vorhanden war und die Evolution der Sprache beim Menschen erst ermöglichte. Da das Gehirn des gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen aber nicht erhalten ist, kann die evolutionäre Entwicklung der Grundlage unserer Sprache also nur im Vergleich mit unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, aufgeklärt werden.

„Bisher ging man davon aus, dass die anatomischen Strukturen der Sprache erst beim Menschen entstanden sind. Unsere Ergebnisse verändern nun das Verständnis der evolutionären Entwicklung von Sprache und Kognition insgesamt“, erklärt Angela D. Friederici, Mitautorin der Studie und Direktorin der Abteilung Neuropsychologie am MPI CBS.