Nervenstimulation: Das Hirn hört nicht immer zu3. Februar 2025 Ein kleines Gerät, das am Körper getragen wird, kann über Elektroden am Ohr das Nervensystem stimulieren. (Quelle: © TU Wien) Nervenstimulation kann bei verschiedenen Erkrankungen helfen. Das funktioniert aber nur dann gut, wenn man körpereigene Rhythmen dabei berücksichtigt, sagt eine Studie der TU Wien, Österreich. Es müssen nicht immer Medikamente sein. Manche Gesundheitsprobleme, von chronischen Schmerzen und Entzündungen bis hin zu neurologischen Erkrankungen, lassen sich auch durch Nervenstimulation behandeln, etwa mithilfe von Elektroden, die am Ohr befestigt werden und den Vagus-Nerv aktivieren. Die „elektrische Pille“ für den Parasympathikus Der Vagusnerv ist der längste Nerv des Parasympathikus und maßgeblich an der präzisen Steuerung der inneren Organe und des Blutkreislaufs beteiligt und für die Erholung und den Aufbau körpereigener Reserven zuständig. Ein Strang des Vagusnervs führt vom Gehirn direkt ins Ohr, daher kann man mit kleinen Elektroden im Ohr den Vagusnerv aktivieren, das Gehirn stimulieren und damit einen Einfluss auf unterschiedliche Funktionen des Körpers nehmen. „Es zeigt sich allerdings, dass diese Stimulation nicht immer die erhofften Ergebnisse bringt“, sagt Prof. Eugenijus Kaniusas vom Institut für Biomedizinische Elektronik der TU Wien. „Nicht zu jedem Zeitpunkt hat eine elektrische Stimulation einen Effekt auf das Nervensystem. Man könnte sagen: Das Gehirn hört nicht immer zu. Es ist, als gäbe es ein Tor in die Schaltzentrale des Nervensystems, das manchmal offen und dann wieder geschlossen ist, und das kann sich innerhalb von weniger als einer Sekunde ändern.“ In einer Pilotstudie wurden nun fünf Personen untersucht. Ihr Vagusnerv wurde elektrisch aktiviert, um die Herzfrequenz zu senken. Aus vergangenen Studien weiß man bereits, dass die Herzfrequenz ein möglicher Indikator dafür ist, ob die Stimulationstherapie nützt oder nicht. Dabei zeigte sich, dass der Zusammenhang der Stimulation mit dem Herzschlag eine entscheidende Rolle spielt. Stimuliert man den Vagusnerv in einem Rhythmus, der nicht auf den Herzschlag abgestimmt ist, lässt sich kaum eine Wirkung feststellen. Setzt man allerdings die Stimulations-Signale während der Systole, ist eine starke Wirkung feststellbar – viel stärker als bei Stimulation in der Entspannungsphase des Herzens, der Diastole. Auch die Atmung ist in diesem Zusammenhang wichtig: Während der Einatmungsphase war die Stimulation deutlich wirkungsvoller als während der Ausatmungsphase. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Synchronisierung der Vagusnerv-Stimulation mit dem Herz- und Atemrhythmus die Effektivität deutlich steigert. Das könnte helfen, die Behandlungserfolge bei chronischen Erkrankungen zu verbessern – ganz besonders bei jenen, die zuvor aus bis jetzt unerklärbaren Gründen auf die Therapie nicht angesprochen haben“, erklärt Kaniusas. Größere klinische Studien sollen folgen Wenn man die Nervenstimulation elektronisch so maßschneidert, dass sie in jedem Augenblick auf die individuellen körpereigenen Rhythmen abgestimmt ist, sollten sich deutlich größere Erfolge erzielen lassen als bisher, glauben die Forschenden. Künftige Studien sollen größere und klinisch relevante Patientengruppen untersuchen und noch präzisere Algorithmen entwickeln, um die Stimulation noch genauer auf individuelle Bedürfnisse abstimmen zu können. „Diese Technologie könnte eine effektive und nichtinvasive Möglichkeit sein, um das autonome Nervensystem gezielt und schonend zu modulieren — ein potenzieller Meilenstein in der neuromodulatorischen Behandlung unterschiedlicher chronischer Erkrankungen“, glaubt Dr. Joszef Constantin Szeles von der Wiener Privatklinik.
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