Netzhautdegenerationen: Neue Instrumente zur Behandlung in fortgeschrittenen Krankheitsstadien

Raghavi Sudharsan and William Beltran (v.l.)von der Division of Experimental Retinal Therapies an der Penn’s School of Veterinary Medicine.Foto.©John Donges

Ein US-amerikanisches Forscherteam hat neuartige Promotoren entwickelt, die eine starke und spezifische Genexpression in Stäbchen- und Zapfenphotorezeptoren in mittleren bis späten Krankheitsstadien bewirken. Diese könnten neue und verbesserte Möglichkeiten für die Gentherapie bieten.

Erbliche Netzhautdegenerationen (auf Englisch: inherited retinal dystrophies, IRD) eine Gruppe genetischer Erkrankungen, die zu einem fortschreitenden Sehverlust führen, da die Photorezeptoren aufgrund von Mutationen in den für ihre Funktion und ihr Überleben erforderlichen Genen absterben.

Die Gentherapie hat sich als vielversprechender Ansatz erwiesen, bei dem defekte Gene ersetzt oder ergänzt werden, um das Sehvermögen zu erhalten oder wiederherzustellen. Die meisten bestehenden Gentherapiestrategien wurden jedoch in frühen Krankheitsstadien entwickelt und getestet. Deshalb besteht eine große Lücke bei der Behandlung von Patienten, bei denen bereits erhebliche Netzhautschäden aufgetreten sind.

In einer in der Fachzeitschrift Molecular Therapy veröffentlichten Studie haben Forscher der Division of Experimental Retinal Therapies at the University of Pennsylvania’s School of Veterinary Medicine (Penn Vet), Philadelphia, USA, und ihre Mitarbeiter nun ein leistungsfähiges neues Instrumentarium entwickelt, um diese Lücke zu schließen.

Neuartige Photorezeptor-spezifische Promotoren

Unter der Leitung von Raghavi Sudharsan, Assistenzprofessor für experimentelle Ophthalmologie an der Penn Vet, und William A. Beltran, Corinne R. Henry Bower Endowed Professor of Ophthalmology, entwickelte das Team vier neuartige Photorezeptor-spezifische Promotoren. „Diese kurzen DNA-Abschnitte fungieren als molekulare „Schalter“, um das therapeutische Gen in den Zielzellen einzuschalten und eine starke und spezifische Genexpression in den Stäbchen- und Zapfenphotorezeptoren selbst in mittleren bis späten Krankheitsstadien zu bewirken“, erklärt Sudharsan, der Hauptautor der Studie.

„Die meisten derzeit verwendeten Promotoren wurden nur in gesunden Tiermodellen getestet, und ihre Leistung nimmt oft ab, wenn die Netzhaut degeneriert“, so Sudharsan weiter. „Im Gegensatz dazu“, erklärt Sudharsan, „wurden die neu entwickelten Promotoren auf der Grundlage ihrer Fähigkeit ausgewählt, die Genaktivität in Netzhäuten zu aktivieren, die bereits mehr als die Hälfte ihrer Photorezeptoren verloren haben – was sie für die Krankheitsstadien, in denen Patienten häufig diagnostiziert werden, relevanter macht.“ In direkten Vergleichen übertrafen die neuen Promotoren den weit verbreiteten GRK1-Promotor sowohl in der Expressionsstärke als auch in der Spezifität.

„Diese Studie befasst sich mit einer der größten Hürden in der IRD-Behandlung: Wie kann eine wirksame Gentherapie durchgeführt werden, nachdem ein großer Teil der Netzhaut bereits degeneriert ist?“, so Sudharsan. „Wir waren besonders begeistert von der Leistung der GNGT2-basierten Promotoren, die eine starke Expression sowohl in den Stäbchen als auch in den Zapfen zeigten, selbst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Und ihre geringe Größe – weniger als 850 Basenpaare – macht sie ideal für die AAV-Verpackung, im Gegensatz zu einigen konventionellen Zapfenpromotoren, die wesentlich größer sind.“

Das Team betonte auch, dass die hohe Spezifität dieser Promotoren für Photorezeptoren dazu beitragen kann, Off-Target-Effekte zu begrenzen und potenzielle Immunreaktionen zu reduzieren. Das seien wichtige Überlegungen für die Sicherheit und langfristige Wirksamkeit.

Identifizierung der neuen Promotoren im Großtiermodell

Die Forscher verwendeten eine Kombination aus transkriptomischer Analyse, In-silico-Modellierung und In-vivo-Screening in Großtiermodellen, um eine Reihe neuartiger, kurzer Promotoren zu identifizieren, die in degenerierenden Photorezeptoren aktiv bleiben. Dazu gehören Promotoren der Gene GNGT2, IMPG2 und PDE6H, die eine starke, zellspezifische Expression zeigten, wenn sie über AAVs in die Netzhaut von Hundemodellen eingebracht wurden, die menschliche IRDs nachahmen.

„Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, Promotoren in klinisch relevanten Modellen und in geeigneten Krankheitsstadien zu testen, was in Zellkulturen oder Netzhautorganoiden leider nicht möglich ist“, erörtert Hauptautor William A. Beltran, der die Abteilung für experimentelle Netzhauttherapien leitet. „Sie legen den Grundstein für eine neue Generation von Gentherapien, die wirksamer und präziser sind und besser auf die realen klinischen Bedürfnisse von Patienten mit vererbten Netzhautdegenerationen, ob Menschen oder Tiere, reagieren.“