Neue Altersgrenze für Mammographie-Screening denkbar

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Derzeit ist eine Ausweitung der Altersgrenze des Mammographie-Screenings in der Debatte. So könnten einer Kosten-Nutzen-Auswertung des Bundesamts für Strahlenschutz zufolge auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren von den regelmäßigen Untersuchungen profitieren [I] [II].

Demnach bestehe der Nutzen, der für Frauen bis 69 Jahren nachgewiesen sei, auch bei einem Screening nach dem 70. Geburtstag noch einige weitere Jahre. Die Einschätzung des Bundesamts ist für eine erweiterte Zulassung des Screenings erforderlich, weil es sich um eine Röntgenuntersuchung handelt. Neben der Strahlenbelastung ist bei der Mammographie vor allem das Risiko der Überdiagnose zu bewerten: Ein Mammakarzinom wäre insbesondere im höheren Alter womöglich gar nicht bemerkt worden, weil zum Beispiel eine andere Erkrankung viel schwerer ausfällt.

Die Patientin hätte durch das Screening dann aber zusätzlich noch die Diagnose Brustkrebs, was zu unnötigen Behandlungen und Ängsten führen kann. Das Risiko einer Überdiagnose besteht in höheren Altersgruppen vor allem durch die geringere verbleibende Lebenszeit. Obwohl sich dies schwer in Zahlen fassen ließe, sei aus Sicht des Strahlenschutzes die Fortführung des Screenings bei Frauen bis zu einem Alter von 75 Jahren gerechtfertigt, so das Bundesamt.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) spricht sich in einem Bericht für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ebenfalls für eine Anhebung der Altersgrenze aus [III]. Zudem empfiehlt das Institut darin auch für unter 50-jährige Frauen ein Mammographie-Screening. Mögliche Schäden durch falsch-positive Befunde oder Überdiagnosen stehe bei Frauen im Alter zwischen 45 und 49 Jahren ein „brustkrebsspezifischer Überlebensvorteil“ gegenüber, der überwiege, heißt es.

Auch eine EU-Leitlinie empfiehlt, Frauen dieses Alters in ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm einzubeziehen [IV]. Der G-BA überprüft aktuell den Anspruch auf Kassenleistung für beide Altersgruppen [V]. Für eine Zulassung bedarf es zudem einer neuen Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Hierfür lieferte das Bundesamt für Strahlenschutz mit seinem Bericht die wissenschaftliche Grundlage für die Altersgruppe 70 bis 75. Die neue Verordnung sei für dieses Jahr angestrebt, so ein Ministeriumssprecher gegenüber dem SMC. Ein konkretes Datum stehe noch aus.

Prof. Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangens sagt: „Die Inzidenz des Mammakarzinoms nimmt ja nicht mit 70 Jahren ab, sondern bleibt weiterhin hoch. Somit ist es den Frauen nicht klarzumachen, dass man mit 69 Jahren noch ein Risiko hat, das mit 71 nicht mehr gegeben ist. Da diese scharfe Trennung in der Inzidenz nicht geführt werden kann und das Populationsalter jedes Jahr steigt, ist es aus meiner Sicht gerechtfertigt, hier das Screening zu erweitern. Ich persönlich würde es bis 76 Jahren anbieten und ab dann auf freiwilliger Teilnahme oder auf Wunsch weiterführen.“

Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums sowie des Genitalkrebszentrums am Universitätsklinikum Würzburg, meint: „Zum Start wurde das Programm für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren ausgerollt. Einfach deshalb, weil in dieser Altersgruppe der kalkuliert größte Brustkrebs-Anteil zu finden ist. Jedoch: Krebs ist auch eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Durch die Altersbegrenzung 50 bis 70 dachten viele Frauen über 70, sie könnten jetzt keinen Brustkrebs mehr bekommen, was natürlich ein Trugschluss ist. Auch deshalb ist die Ausweitung des Screening-Programms auf über 70 Jahre sinnvoll.“

Literatur

[I] Bundesamt für Strahlenschutz (13.12.2022): Mammografie-Screening-Programm: Auch für Frauen ab 70 Jahren von Nutzen. Pressemitteilung.
[II] Bundesamt für Strahlenschutz (2022): Brustkrebsfrüherkennung mittels Röntgenmammografie bei Frauen ab 70 Jahren. Wissenschaftliche Bewertung.
[III] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2022): Überprüfung der Altersgrenzen im Mammografie-Screening-Programm. Abschlussbericht.
[IV] European Commission (2023): European guidelines on breast cancer screening and diagnosis – Screening ages and frequencies.
[V] Gemeinsamer Bundesausschuss (27.04.2023): Einleitung des Stellungnahmeverfahrens – Krebsfrüherkennungs-Richtlinie: Erweiterung der oberen Altersgrenzen im Mammographie-Screening-Programm sowie weitere Änderungen