Neue Antibiotikaresistenzen bei der Tuberkulose rechtzeitig erkennen und bekämpfen

Lungentuberkulose (Abbildung: © stockdevil/stock.adobe.com)

Mit evolutionsbiologischen Verfahren ist es Forschenden aus Europa, den USA und Indien in einem internationalen Kollaborationsprojekt gelungen, im Zusammenhang mit dem Antibiotikum Bedaquilin neue und bisher unbekannte Resistenzmutationen bei Tuberkulosebakterien zu klassifizieren.

Weltweit erkranken mehr als 10 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB), etwa 1,6 Millionen versterben daran. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) infiziert sich jedes Jahr etwa eine halbe Million Patienten mit einem multiresistenten (MDR) Bakterienstamm. Für die Therapie werden mindestens vier Antibiotika über mehrere Monate mit teils erheblichen Nebenwirkungen eingesetzt. Das neu entwickelte Antibiotikum Bedaquilin (BDQ) wurde bisher sehr erfolgreich für die Behandlung einer MDR-TB eingesetzt, allerdings traten schon kurz nach der Markteinführung Bedaquilin-resistente Stämme bei TB-Patienten auf.

In einer multizentrischen Studie unter Beteiligung des Leibniz Wissenschaftscampus EvoLUNG, des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) wurden experimentelle Arbeiten in Kombination mit Computermodellen genutzt, um Resistenzmechanismen für Bedaquilin zu definieren und so die schnelle Diagnose von Resistenzen bei klinischen Mycobacterium-tuberculosis-Komplex (Mtbk) Stämmen zum Beispiel durch Sequenzierung des bakteriellen Erbguts zu ermöglichen. Ziel war die Etablierung einer Datenbank, mit der Mutationen im Erbgut der Erreger interpretiert und eine Resistenzvorhersage durchgeführt werden kann.

In der aktuellen Studie konnten diese In-vitro-Laborverfahren und In-silico-Computer-Methoden eingesetzt werden, um die Auswirkung von einzelnen Mutationen in Bezug auf eine BDQ-Resistenz besser zu verstehen. Die gefundenen Daten wurden mit einer umfangreichen Literaturrecherche kombiniert, um einen umfassenden Mutationskatalog für Bedaquilin zu erstellen.

„Der neuartige evolutionsbiologische Ansatz dieser Arbeit, in dem M. tuberculosis Stämme über einen langen Zeitraum Antibiotika ausgesetzt werden, hat sich als hervorragende Methode zur Selektion von resistenten Mutanten mit einer großen phänotypischen und genetischen Vielfalt erwiesen“, sagt Prof. Stefan Niemann, Letztautor der Studie, Sprecher des Leibniz Wissenschaftscampus EvoLUNG und Leitender Wissenschaftler im DZIF und Exzellenzcluster PMI.

„Ein überraschender Befund dieser Studie war ein neuer Resistenzmechanismus, bei dem die M.-tuberculosis-Stämme eine große Neuordnung im Erbgut aufwiesen“, ergänzt Dr. Lindsay Sonnenkalb, eine der Erstautorin der Studie vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum. „Dieser Resistenzmechanismus wurde bisher noch nicht beschrieben und könnte auch bei klinischen M.-tuberculosis-Stämmen vorkommen“.

Die vorgestellten Methoden werden zurzeit in verschiedenen internationalen Kollaborationsprojekten eingesetzt, um Resistenzmechanismen bei neuen Antibiotika Wirkstoffen zu bestimmen, bevor diese in die Anwendung gelangen. Diese Daten sollen die Etablierung von diagnostischen Verfahren vor der ersten breiten Anwendung ermöglichen, die dann direkt bei dem ersten Einsatz der Medikamente zur Verfügung stehen.

Die Arbeit wurde von der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Wellcome Trust, dem Leibniz-Wissenschaftscampus – Evolutionäre Medizin der Lunge (EvoLUNG), dem DFG Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), dem DFG Graduiertenkolleg „Translational Evolutionary Research“ und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) unterstützt.