Neue Behandlungspauschalen gefährden ambulante OP-Qualität für Patienten

Burkhard Lembeck (l.) und Ralf Müller-Rath (Fotos: Intercongress/Tanzyna, privat)

Mit Einführung der Hybrid-DRG sollen nun auch ambulante OPs mit Behandlungspauschalen vergütet werden. Berufsverbände und Fachgesellschaften warnen: individuelle Medizin werde erschwert und die Qualität von OPs deutlich sinken. Eine Umfrage unter Operateuren bestätige dies.

In einer gemeinsamen Mitteilung führen der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), der Berufsverband für Arthroskopie (BVASK), die Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie e.V. (GFFC) und die D-A-CH Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie (DVSE) weiter aus, dass, der Kostendruck durch Pauschalvergütungen zu medizinisch fragwürdigen Entscheidungen und letztlich in eine Zweiklassenmedizin beitragen werde.

Bisher werden bei ambulanten OPs Materialien und Implantate, die bei Operationen verbraucht oder eingesetzt werden, wie z.B. Knochenplatten, Prothesen oder Anker zur Befestigung von Sehnen, von den Krankenkassen einzeln vergütet. Der Operateur trifft also ohne Kostendruck die Entscheidung für das richtige Implantat – ganz so, wie es der Patient benötigt, berichten die Organisationen. In Krankenhäusern würden diese Materialien über Kostenpauschalen (DRG) finanziert.

Eine aktuelle Umfrage unter Ärzten von BVOU, BVASK, GFFC und DVSE zeige aber, dass der Kostendruck durch solche Pauschalvergütungen, wie im jetzigen stationären DRG-System, zu medizinisch fragwürdigen Entscheidungen führe und kritisieren, dass nun genau dieses System auch für ambulante Operationen gelten solle.

In der Umfrage, bei der 600 Operateure antworteten, gaben 60 Prozent der Teilnehmer an, dass sie bei freier Wahl andere Entscheidungen bezüglich der Art und Menge der Materialien im Rahmen von Operationen treffen würden, als unter den aktuellen DRG-Bedingungen.

Ein Fünftel der Ärzte bestätigten sogar die Aussage, Patienten unter DRG-Bedingungen nicht gemäß dem wissenschaftlichen Standard behandeln zu können. Knapp ein Drittel der Befragten sehen sich aufgrund des Kostendruckes in Zusammenhang mit Implantaten und anderen medizinischen Materialien gezwungen, gewisse Eingriffe auf zwei Operationen aufzuteilen, obwohl aus medizinischer Sicht der gesamte Eingriff auch in einer einzigen OP durchgeführt werden könnte.

Über 80 Prozent der Operateure sind der Meinung, dass Patienten medizinisch besser versorgt werden könnten, wenn Implantate und andere medizinische Materialien im Rahmen von Operationen nach Verbrauch erstattet würden – so wie es bisher bei ambulanten Operationen der Fall war.

Ihre Sorgen Sorgen beschrieben viele Befragte per Freitext: „schlechtere Patientenversorgung“ „Billig-Implantate“, „Ende der Operationen im ambulanten Sektor“, „Gewisse Leistungen biete ich nicht mehr an“, „OPs werden nicht mehr stattfinden“, „schlechtere Versorgungqualität“.

„Eigentlich kommt Gesundheitsminister Lauterbach zu dem gleichen Schluss wie die Experten aus Orthopädie und Unfallchirurgie. Auch er beklagt öffentlich die Überökonomisierung und die Fehlanreize, die durch das DRG-System eingeführt wurden. Mit Einführung der ambulanten Fallpauschalen wiederholt er nun aber den Fehler ein zweites Mal”, so die Orthopäden und Unfallchirurgen. Der Minister beklage auch seit Jahren eine bestehende oder drohende Zweiklassenmedizin. Mit Einführung der Hybrid-DRG werde diese bei ambulanten Operationen jedoch erst geschaffen. „Medizinisch wichtige Entscheidungen sollen bei gesetzlich Versicherten nun unter Kostendruck getroffen werden. Preisdumping und Qualitätsverlust sind vorprogrammiert”, warnen sie weiter.

Die Vorsitzenden des BVOU und BVASK, Dr. Burkhard Lembeck und Priv.-Doz. Dr. Ralf Müller-Rath leiten aus der Umfrage eine Forderung an den Gesundheitsminister ab: „Spezielle Materialien und Implantate müssen weiterhin durch die Krankenkassen separat und nach dem realen Verbrauch erstattet werden. Nur so können wir die Patienten passend zum Bild der Erkrankung und Verletzung behandeln.”