Neue Einblicke in den Gehirnstoffwechsel15. April 2025 Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) spielt bei der Energieversorgung des Gehirns eine wichtige Rolle. (Foto: © bacsica – stock.adobe.com) Ein neues Open-Source-Modell des Hirnstoffwechsels zeigt, wie die Senkung des Blutzuckerspiegels sowie die Erhöhung des Keton- und Laktatspiegels im Blut dazu beitragen könnten, die Stoffwechselfunktion in alternden Gehirnen wiederherzustellen. All dies könnte möglicherweise durch eine Änderung des Lebensstils erreicht werden. Die Ergebnisse stammen aus dem bisher umfassendsten Computermodell des Gehirnstoffwechsels, das mehr als 16.800 biochemische Interaktionen zwischen Proteinen und Chemikalien in den Gehirnzellen, den Gliazellen und dem Blut berücksichtigt.Wissenschaftler können dieses Open-Source-Modell nun nutzen, um Wege zur Vorbeugung von altersbedingten Krankheiten wie Demenz zu finden. „Diese Studie bietet einen Röntgenblick in die Batterie, die das Gehirn mit Energie versorgt“, beschreibt Henry Markram, Professor für Neurowissenschaften an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), Schweiz, der Hauptautor der Studie. „Wir können nun verfolgen, wie das Energiesystem des Gehirns auf molekularer Ebene altert.“ Die detaillierte Simulation – eine Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen neuronaler Aktivität, Stoffwechsel und Blutfluss – basiert auf Daten von menschlichen und Nagergehirnen. Sie gibt einen Einblick in die Art und Weise, wie der Hirnstoffwechsel mit zunehmendem Alter nachlässt und seine Funktion beeinträchtigt, und zeigt mögliche Wege zur Wiederherstellung der jugendlichen Widerstandsfähigkeit auf. Jugendliche Widerstandsfähigkeit Wir stellen hohe Anforderungen an die Neuronen unseres Gehirns, um unseren Alltag zu bewältigen. Dies erfordert viel Energie und Unterstützung, die von der Blutversorgung und den unterstützenden „Gliazellen“, den Astrozyten, kommt. Um die Auswirkungen des Alterns auf den Stoffwechsel des Gehirns zu verstehen, bezog das Team diese Elemente in sein Modell ein, mit dem es den Stoffwechselzustand von jungen und alten Gehirnen verglich. Insgesamt berechneten sie die Auswirkungen altersbedingter Veränderungen auf 16.800 Interaktionen zwischen Proteinen und Chemikalien in Neuronen, Gliazellen und Blut. Das Modell zeigte, dass Veränderungen in der Menge bestimmter Moleküle komplexe Folgewirkungen haben können, die sich auf viele verschiedene Stoffwechselreaktionen gleichzeitig auswirken. Dies bedeutete, dass die Zellen anfälliger für Schäden waren, da sie sich weniger gut anpassen und erholen konnten. Die Studie zeigte auch mögliche Angriffspunkte für Medikamente sowie den potenziellen Nutzen einer Nahrungsergänzung mit Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) auf – einem Molekül, das eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung des Gehirns spielt. NAD-verstärkende Nahrungsergänzungsmittel wurden bereits als mögliche Therapie für gesundes Altern untersucht. Dr. Polina Shichkova, die Hauptautorin der Studie in „Frontiers in Science“, sagte: „Wir waren überrascht von den gegenseitigen Abhängigkeiten der molekularen Reaktionen, der strengen Regulierung und der Signalübertragung innerhalb dieses Systems. Wir haben gezeigt, dass die Anfälligkeit des Hirnstoffwechsels auf den Zusammenbruch vieler Stoffwechselwege zurückzuführen ist, nicht nur auf den Zusammenbruch eines einzigen. Eine Entdeckung jenseits von Lebensstilfaktoren Die Entdeckung ermöglichte es dem Team, die komplexen molekularen Mechanismen zu verstehen, die die Robustheit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des alternden Gehirns bestimmen. Die Forscher fanden heraus, dass die gealterten Zellen durch Veränderung der Mengen an Schlüsselchemikalien wieder zu ihrer jugendlichen Aktivität und Widerstandsfähigkeit zurückgeführt werden konnten. „Unsere Ergebnisse gehen über das hinaus, was wir bereits über diese Lebensstilfaktoren wussten“, erklärt Shichkova. „Unser Modell bietet einen detaillierten molekularen Mechanismus dieser Praktiken, der den Forschern helfen wird, präzisere und wirksamere Interventionen zu entwickeln.“ Die Forscher nutzten das Modell auch, um mögliche Angriffspunkte für Medikamente zu identifizieren, die die Widerstandsfähigkeit der Gehirnzellen wiederherstellen könnten. Sie identifizierten ein Protein namens Östrogen-bezogener Rezeptor alpha (ESRRA), das mit dem vorhergesagten altersbedingten Rückgang in Verbindung steht. Diese Erkenntnis könnte zu weiteren Forschungen zur Entwicklung wirksamer Behandlungen zur Unterstützung alternder Neuronen führen. „Zwischen den Vorhersagen eines Computermodells und den praktischen Empfehlungen für Menschen liegen in der Regel viele Schritte, aber einige der Vorschläge unseres Modells umfassen bereits zugelassene Nahrungsergänzungsmittel, Ernährungsumstellungen oder Lebensgewohnheiten“, erklärte Shichkova. Ein Werkzeug für die weitere Forschung Die Forscher erstellten das Modell anhand öffentlich zugänglicher Daten, die die Genaktivität von Gehirnzellen bei Menschen und Mäusen beschreiben. Als sie die Ergebnisse mit experimentellen Daten verglichen, die nicht für das Training verwendet wurden, sagte das Modell die Veränderungen der biochemischen Aktivität in den Neuronen mit dem Alter genau voraus. Dies bestätigte seine Nützlichkeit als Forschungsinstrument und den Wert seiner Erkenntnisse.
Mehr erfahren zu: "Erythropoietin verbessert Kognition – Studie zeigt therapeutisches Potenzial" Erythropoietin verbessert Kognition – Studie zeigt therapeutisches Potenzial Der Wachstumsfaktor Erythropoietin, bekannt aus der Blutbildung, zeigt auch wichtige Effekte im Gehirn – insbesondere auf Oligodendrozyten. Diese Ergebnisse von Forschenden aus Göttingen und Mannheim deuten darauf hin, dass Erythropoietin […]
Mehr erfahren zu: "Spreading Depolarization als Auslöser für postiktale Störungen" Spreading Depolarization als Auslöser für postiktale Störungen Insbesondere Menschen mit Schläfenlappenepilepsie wandern nach einem Anfall häufig bewusstseinseingeschränkt und ziellos umher. Forschende aus Bonn haben nun einen Mechanismus entdeckt, der dieses sogenannte post-ictal wandering und möglicherweise auch andere […]
Mehr erfahren zu: "Wie die Tiefe Hirnstimulation das Denken und Erinnern beeinflusst" Wie die Tiefe Hirnstimulation das Denken und Erinnern beeinflusst Forschende des Universitätsklinikums Würzburg haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den USA die Effekte der Tiefen Hirnstimulation bei Parkinson-Krankheit und Alzheimer-Demenz auf die Kognition untersucht. Ihre Ergebnisse tragen dazu bei, […]