Neue Erkenntnisse für die Behandlung der Zöliakie

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Anhand der Genaktivität im Dünndarm von Zöliakiepatienten zeigen Forschende, dass der neuartige Wirkstoff ZED1227 die glutenbedingte Entzündung und Schädigung der Darmschleimhaut hochspezifisch und wirksam verhindert.

Auch konnten die Wissenschaftler darstellen, dass ZED1227 die Aktivität der für die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlichen Gene deutlich verbessert. Zudem konnten sie zeigen, dass die individuelle Erbanlage von Zöliakiepatienten die Wirksamkeit von ZED1227 beeinflusste. Die Ergebnisse der Studie unter der Leitung von Forschenden der Universität Tampere (Finnland) und unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Mainz wurden jetzt in „Nature Immunology“ veröffentlicht.

Nahezu alle Zöliakiepatienten sind Träger mindestens eines der Humanen Leukozyten-Antigene (HLA) DQ2 oder DQ8. Die individuelle Erbanlage kann dabei sowohl das Risiko als auch den Schweregrad der Zöliakie beeinflussen. Betroffene mit einer höheren Gendosis, insbesondere mit zwei identischen Kopien von HLA-DQ2, weisen in vielen Fällen eine stärkere Immunreaktion auf Gluten und schwerere Zöliakiesymptome auf.

Die bisher einzige wirksame verfügbare Behandlungsmöglichkeit ist eine streng glutenfreie Diät (GFD). Allerdings ist diese für die Betroffenen sehr belastend und schwer einzuhalten. Häufig kommt es auch zu einer minimalen versehentlichen Glutenaufnahme, was bei fast der Hälfte der behandelten Patienten trotz GFD zu anhaltenden Symptomen führt.

Das Mainzer Forschungsteam unter der Leitung von Univ.-Prof. Detlef Schuppan, Direktor des Institutes für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz, hat in Zusammenarbeit mit den Unternehmen Zedira GmbH (Darmstadt) und Dr. Falk Pharma GmbH (Freiburg) ein neuartiges Medikament zur Behandlung der Glutenunverträglichkeit entwickelt: den Transglutaminase-Hemmer ZED1227. Der Wirkstoff basiert auf früheren Erkenntnissen Schuppans zu den krankheitsspezifischen Mechanismen bei Zöliakie. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Entdeckung des körpereigenen Enzyms Transglutaminase 2 (TG2), das im gesamten Darm vorkommt. Schuppans Forschungsgruppe fand heraus, dass TG2 von der Dünndarmschleimhaut aufgenommene Glutenbruchstücke enzymatisch so verändert (deamidiert), dass sie besser an die HLA-Moleküle DQ2 oder DQ8 der Zöliakiebetroffenen binden und damit eine stark erhöhte Immunreaktion im Darm auslösen. Die Wirksamkeit von ZED1227 beruht auf seiner Fähigkeit, die überschießende Aktivität des Enzyms TG2 in der Dünndarmschleimhaut zu hemmen und so die entzündliche Immunantwort zu verhindern. In einer klinischen Phase IIa-Studie mit 160 Patienten zeigte ZED1227 eine starke schützende Wirkung auf die Dünndarmschleimhaut. Dadurch konnten die Gluten-bedingte Entzündung, die Erkrankungssymptome sowie die Lebensqualität der Zöliakiebetroffenen verbessert werden.

„Unsere klinische Studie hat gezeigt, dass den Zöliakiepatient:innen mit dem Transglutaminase-Hemmer ZED1227 zukünftig erstmals unterstützend zur glutenfreien Diät eine wirksame medikamentöse Therapieoption zur Verfügung stehen könnte, die ihnen zusätzlich einen erheblichen Zugewinn an Sicherheit und Lebensqualität ermöglicht. Das Ziel der aktuell in ‚Nature Immunology‘ publizierten Untersuchung war es, die immunologischen Mechanismen, die der Wirksamkeit von ZED1227 zugrunde liegen, weiter zu entschlüsseln“, erläutert Schuppan, der die Ambulanz für Zöliakie, Dünndarmerkrankungen und Autoimmunität der Universitätsmedizin Mainz leitet.

Im Rahmen der Studie wurden Biopsien aus dem Dünndarm von insgesamt 58 Zöliakiepatienten analysiert. Die Biopsien wurden nach einer langfristigen glutenfreien Diät und erneut nach einem sechswöchigen Zeitraum entnommen, in dem die Patienten täglich 3 Gramm Gluten sowie zusätzlich entweder 100 mg des Wirkstoffes ZED1227 (34 Studienteilnehmende) oder ein Placebo (24 Studienteilnehmende) erhielten. Um die Genaktivität im Dünndarm zu untersuchen, extrahierten die Wissenschaftler aus den Gewebeproben Ribonukleinsäure (RNA) und analysierten sie mithilfe einer neuartigen Sequenzierungstechnologie. Die RNA spielt eine zentrale Rolle bei der Übertragung genetischer Informationen.

Die Messung der Genaktivität zeigte, dass die Gabe von ZED1227 die glutenbedingte Entzündung, dominiert vom entzündlichen Botenstoff Interferon-gamma, vollständig normalisiert und damit die Schädigung der Dünndarmschleimhaut wirksam verhindert. Zudem kehrte bei den Studienteilnehmenden, die das Medikament erhielten, auch die Aktivität der für die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen verantwortlichen Gene auf das Niveau vor dem sechswöchigen Zeitraum mit Glutenbelastung zurück. Eine weitere wichtige Erkenntnis der Analyse: Die Wirksamkeit von ZED1227 wurde wesentlich von der individuellen HLA-DQ2/8-Gendosis der Patienten beeinflusst.

Schuppan betont: „Mit der aktuellen Untersuchung konnten wir nun auch auf immunologischer Ebene belegen, dass die Hemmung der TG2 eine wirksame Option zur Behandlung der Zöliakie darstellt. Unsere Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass die Betroffenen von einem personalisierten therapeutischen Ansatz auf Grundlage einer Bestimmung ihrer individuellen Zöliakie-assoziierten Erbanlage profitieren könnten.“

Die Entwicklung des Zöliakiemedikamentes ZED1227 wurde im Rahmen des Spitzenclusters für Individualisierte Immunintervention (Ci3) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Leuchtturmprojekt gefördert. Unter Schuppans Leitung wurde kürzlich eine Phase IIb-Studie mit dem TG2-Hemmstoff abgeschlossen, an der 130 klinische Zentren weltweit beteiligt waren. Derzeit leitet er zudem eine Phase IIb-Studie zu ZED1227 mit 70 Studienzentren. Der Start einer weltweiten Phase-III-Studie ist für 2025 geplant.