Neue Erkenntnisse zu ökologischen und evolutionären Dynamiken von Harnwegsinfektionen

Bakterienpopulationen im Harntrakt besiedeln verschiedene Kompartimente (Urin, Urothel, intrazellulär), die unterschiedlichen Dynamiken unterliegen. Symbolbild: freshidea – stock.adobe.com

Eine aktuelle Studie liefert Einblicke in die dynamischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Bakterienpopulationen in der Blase. Die Studie nutzt ein mathematisches Modell, um zu analysieren, wie sich Bakterien im Harntrakt anpassen und dort überleben können.

Mithilfe eines mathematischen Modells konnten Forschende des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön (Schleswig-Holstein) In Zusammenarbeit mit dem Dioscuri-Zentrum für Physik und Chemie von Bakterien in Warschau (Polen) zeigen, wie die Mikroorganismen auf physiologische und therapeutische Eingriffe reagieren. Die Ergebnisse bieten nach Ansicht der Wissenschaftler wertvolle Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer, effektiver Behandlungsstrategien von Harnwegsinfektionen (HWIs).

Der Harntrakt – keineswegs steril

Bakterien befinden sich nicht nur im Urin, sondern existieren in verschiedenen Zuständen in der Blase: freischwimmend im Blasenlumen, an die Blasenwand anhaftend oder sogar innerhalb der Epithelzellen der Blase. Die verschiedenen Bakterienpopulationen unterliegen unterschiedlichen Selektionsdrücken, darunter die Immunabwehr, der Harnfluss (Miktion) und die Wirkung von Antibiotikabehandlungen.

Bei hartnäckigen, wiederkehrenden Infektionen, die mit Antibiotika behandelt werden müssen, steigt das Risiko, dass sich Bakterien anpassen und Resistenzen gegen Medikamente entwickeln. Die Studie zeigt, dass die verschiedenen Bakterienpopulationen das Risiko einer chronischen Infektion erhöhen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen erhöht. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die unterschiedlichen Bakterienpopulationen und ihre Wechselwirkungen bei der Behandlung von HWIs zu berücksichtigen.

Probiotische Therapiemöglichkeiten

Ein weiterer zentraler Befund der Studie betrifft das Potenzial der sogenannten kompetitiven Inokulation als möglicher Behandlungsstrategie. Durch das Einführen eines schnell wachsenden, nichtpathogenen Bakterienstammes können krankheitserregende Bakterien unterdrückt werden. Dieser Ansatz kann helfen, die pathogene Population zu kontrollieren und die Wirksamkeit von Antibiotika zu steigern, wenn diese maßvoll eingesetzt werden.

Die in der „ISME-Journal“ veröffentlichte Studie betont die Bedeutung der Berücksichtigung bakterieller Nischen für das Verständnis von HWIs. Indem sie die verschiedenen Lebensräume von Bakterien und deren Reaktionen auf Therapien einbezieht, bietet das Modell eine realistischere Sicht auf die Infektionsdynamik. Es liefere vor allem wertvolle Erkenntnisse, die die zukünftige Behandlung von HWIs verbessern könnten, sind die Wissenschaftler überzeugt.

(Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie / ms)