Neue Erkenntnisse zum Laufen

Forschungsobjekt Stabheuschrecke (Symbolbild: stephane – stock.adobe.com)

Neue Forschungsergebnisse aus Köln zeigen, wie für die Erzeugung rhythmischer Bewegungen relevante Neurone angesteuert werden.

Forschende der Universität zu Köln haben in einer neuen Studie den Mechanismus der rhythmischen Aktivierung derjenigen Neuronen in Stabheuschrecken (Carausius morosus) aufgeklärt, die die Beinmuskulatur beim Laufen kontrollieren. Die Arbeiten des Kölner Forschungsteams zeigen, dass die Neuronen, die den Beinsenkermuskel aktivieren, im Gegensatz zu denen der anderen Beinmuskeln, rhythmisch erregt werden. Bislang wurde angenommen, dass alle dieser Motoneuronen auf die gleiche Art durch zentrale neuronale Netzwerke aktiviert werden. Die Studie wurde im Fachmagazin „Current Biology” veröffentlicht.

Die Wissenschaftler untersuchten die neuronalen Grundlagen der Bewegungserzeugung bei Tieren, insbesondere derjenigen, die der Fortbewegung, zum Beispiel dem Laufen, zu Grunde liegen. Dazu nutzt das Team unter der Leitung von Prof. Ansgar Büschges unter anderem Insekten als Studienobjekte, da die Anforderungen an das Nervensystem bezüglich der Erzeugung und Kontrolle von Schreitbewegungen für alle Tiere im Prinzip sehr ähnlich sind. So findet man zum Beispiel über das Tierreich hinweg Netzwerke im Zentralnervensystem, welche der Erzeugung rhythmischer Aktivitätsmuster für viele Bewegungsformen zugrunde liegen, sei es für Fortbewegung wie Laufen, Schwimmen, Kriechen und Fliegen oder auch für vegetative Funktionen wie Atmung.

Diese hochspezialisierten Netzwerke werden als zentrale Mustergeneratoren (engl. central pattern generators/CPGs) bezeichnet. In Interaktion mit Informationen von Sinnesorganen, den Propriozeptoren, welche Bewegungen und Belastungen an das Zentralnervensystem melden und sich im Falle des Laufens auf und in den Beinen befinden, erzeugen sie die rhythmische Aktivität der Muskulatur für Laufbewegungen. Dies tun die Netzwerke, indem sie diejenigen Neuronen aktivieren, die die Muskeln innervieren (Motoneuronen). Bislang galt in der Forschung die Annahme, dass solche CPGs auf alle Motoneuronen, die sie ansteuern, den gleichen Einfluss haben. In ihrer neuen Studie haben Angelina Ruthe, Dr. Charalampos Mantziaris und Büschges dieses lang existierende Dogma für das Laufsystem eines Insekts falsifiziert.

Dazu haben sie in ihren Experimenten die CPGs im Zentralnervensystem der Stabheuschrecke pharmakologisch aktiviert und deren Einfluss auf die Motoneurone untersucht, die die Beinmuskeln innervieren. Sie stellten fest, dass alle Motoneurongruppen der Beinmuskulatur, bis auf eine, identische Eingänge von den Netzwerken erhalten: rhythmisch hemmende Signale von den zentralen Netzwerken. Nur die Motoneurone, die den Beinsenker innervieren, werden durch rhythmische Erregung angesteuert. Interessanterweise handelt es sich bei dem Beinsenkermuskel genau um den Muskel des Insektenbeins, der unabhängig von der Laufsituation für die Erzeugung der Stemmphase eines Schrittes verantwortlich ist – egal, ob das Tier in der Waagerechten, an der Decke oder auf einem Ast nach oben oder unten läuft. „Die rhythmische Erregung und damit die spezifische Aktivierung genau dieser Motoneurongruppe durch die CPGs könnte dazu dienen, das genaue Timing der Kontraktion des Beinsenkermuskels und damit den Start der Stemmphase und deren Stabilisation sicherzustellen“, erklärt Büschges.