Neue Erkenntnisse zur Rolle von Interleukin-17

Bakterien (rot) in direktem Kontakt mit Zellen der Darmwand (grün, Zellkern in blau) (© Universitätsmedizin Mainz)

Der Botenstoff Interleukin-17 ist nicht direkt an der Entstehung einer Multiplen Sklerose (MS) beteiligt. Allerdings wirkt IL-17 über das Mikrobiom des Darms auf die Entstehung der Experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), dem Tiermodell der MS. Das zeigen Forscher der Universitätsmedizin Mainz.

In der Experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), dem Tiermodell der MS, lösen T-Zellen die chronisch-entzündliche neurologische Autoimmunerkrankung im ZNS aus. T-Zellen zählen wiederum zu den Hauptproduzenten des Botenstoffs Interleukin-17 (IL-17) – in der Maus ebenso wie im Menschen. IL-17 produzierende T-Zellen spielen deshalb nachweislich eine entscheidende Rolle in der Entstehung der MS. Daher leiten Teile der Wissenschaftlergemeinschaft daraus die Vermutung ab, dass auch IL-17 selbst die Krankheitsentstehung im ZNS wesentlich beeinflusst.

Wie die Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz nun herausgefunden haben, verlieren Mäuse, denen IL-17 fehlt, jedoch ihre Anfälligkeit für die EAE. Sie erkranken also nicht. Gleichwohl tragen ihre T-Zellen weiterhin das Potenzial für eine Entzündung des ZNS in sich. Mit dieser Erkenntnis ist es dem Forscherteam gelungen, im Tiermodell zu belegen, dass IL-17 selbst nicht direkt daran beteiligt ist, dass im ZNS die neurologische Autoimmunerkrankung MS entsteht.

Bemerkenswert ist zudem eine weitere Beobachtung des Studienteams: ein indirekter Effekt von IL-17. Bei den Tieren ohne diesen Botenstoff veränderte sich die Darmflora stark. Und dies wiederum machte die Tiere resistent gegen die Entstehung einer EAE. Indem die Wissenschaftler die Darmflora aber manipulierten, indem sie IL-17 gezielt im Darm wieder zuführten, veränderte sich auch das Immunsystem und die Mäuse wurden erneut anfällig für EAE. Somit ist die IL-17-Expression im Darm und nicht seine Effektor-Funktion im ZNS direkt mit der EAE-Anfälligkeit verbunden.

Mit ihren Erkenntnissen untermauern Dr. Tommy Regen und Kollegen die essenzielle Rolle des IL-17 für die Erhaltung der Darmgesundheit. Sie zeigen auf, dass zwischen der Zusammensetzung des Darmmikrobioms und der Entstehung von Autoimmunkrankheiten wie der MS ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Damit liefern sie einen wichtigen Impuls und Ansatzpunkt für weitere Forschungen.

Zudem ist der erzielte Forschungsfortschritt auch bedeutend für die Behandlung anderer entzündlicher Erkrankungen, wie beispielsweise Psoriasis, Rheumatoide Arthritis oder einige kardiovaskuläre Erkrankungen. Diese lassen sich häufig erfolgreich behandeln, indem bei den Betroffenen IL-17 außer Gefecht gesetzt wird. Die hier vorgestellten Ergebnisse legen jedoch nahe, dass die Langzeitwirkung solcher Therapien zumindest beobachtet werden sollte, da negative Einflüsse auf die Darmgesundheit nicht ausgeschlossen werden können.

Originalpublikation:
Regen T et al. IL-17 controls central nervous system autoimmunity through the intestinal microbiome. Science Immunology 2021;6(56):eaaz6563.