Neue Erkenntnisse zur Spracherholung nach Schlaganfall27. Februar 2025 KI-gestützte Versinnbildlichung der Netzwerkkommunikation im menschlichen Gehirn. (Quelle: © Dr. Philipp Kuhnke | unter Verwendung von ChatGPT-4o) Eine aktuelle Studie zeigt, wie sich das Gehirn in den ersten Monaten nach einem Schlaganfall reorganisiert, um das Sprachvermögen wieder zu verbessern. Die Erkenntnisse helfen, die Funktionsweise von funktionellen Netzwerken im Gehirn besser zu verstehen. Sie bergen zudem das Potenzial, zukünftig die personalisierte Therapie nach einem Schlaganfall zu verbessern. Es ist ein Alptraum: Man erleidet einen Schlaganfall und kann sich danach nicht mehr richtig verständigen. In vielen Fällen erholt sich das Sprachvermögen bis zu einem gewissen Grad in den Tagen und Wochen danach. Denn das Gehirn versucht selbstständig, stimuliert durch eigene Anstrengungen und logopädische Sprachtherapie, das Sprachvermögen soweit möglich wieder herzustellen. Welche Prozesse bei der Spracherholung genau greifen, war bisher nicht bekannt. „In unserer Studie haben wir Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten der Universitätsklinik über drei Phasen hinweg untersucht: direkt nach dem Schlaganfall und dann zwei Wochen und ein halbes Jahr danach“, erläutert Autorin Prof. Gesa Hartwigsen vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Während frühere Studien sich auf die Aktivität „klassischer“ Sprachzentren im Gehirn konzentrierten, gingen die Autoren der vorliegenden Studie einen Schritt weiter: Sie untersuchten erstmals die Interaktionen zwischen verschiedenen Hirnarealen auf Netzwerkebene. „Denn an Sprache sind viele Hirnareale beteiligt, die funktionelle Netzwerke bilden“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wie genau diese Hirnareale während der Spracherholung zusammenarbeiten und sich gegenseitig beeinflussen, war allerdings noch unklar.” Schnelle Hilfe durch andere Netzwerkareale Die Autoren der Studie stellten drei Prinzipien fest: „Erstens erhalten sprachspezifische Netzwerkareale der linken Gehirnhälfte, die durch den Schlaganfall betroffen sind, bereits sehr schnell funktionelle Verstärkung von anderen Netzwerkarealen“, berichtet Hartwigsen. „Diese ‚domänen-allgemeinen‘ Areale sind in beiden Seiten des Gehirns vorhanden und nehmen hier kognitive Stützfunktionen wahr.“ Zweitens, so fanden die Wissenschaftler heraus, „springen die spiegelbildlich angelegten Bereiche der rechten Gehirnhälfte ein, die normalerweise weniger in der Sprachverarbeitung involviert sind als die der durch den Schlaganfall beschädigten linken Seite“, erläutert Dr. Philipp Kuhnke. Diese spiegelbildlich angelegten Bereiche nennt man auch Homologe. „Und drittens konnten wir sehen, dass sich bei der Spracherholung auch die Netzwerkkommunikation zwischen den Spracharealen in der linken Hirnhälfte wieder intensiviert“, ergänzt der Wissenschaftler. Drei Prinzipien der Netzwerkinteraktion bei der Spracherholung. (Quelle: © Dr. Philipp Kuhnke) Anpassungsprozesse sind selbst flexibel Die funktionellen Anpassungsprozesse zur Wiedergewinnung eingebüßter Sprachkompetenz wandelten sich bei den Patienten über mehrere Monate hinweg teils stark. Wie dies geschah, hing unter anderem davon ab, ob sich das vom Schlaganfall beschädigte Gewebe bei Patienten im vorderen oder im hinteren Teil der linken Gehirnhälfte befand. Da sich die Verteilung sprachspezifischer Areale bei Rechtshändern und Linkshändern unterscheidet, wurden ausschließlich Rechtshänder untersucht, die einen Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte erlitten hatten. Insgesamt wurden 51 Probanden – 34 Patienten sowie 17 gesunde Kontrollprobanden – an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsklinik Leipzig unter Leitung von Prof. Dorothee Saur untersucht. Während sich diese mit Sprachaufgaben beschäftigten, wurde ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessen. Anschließend werteten die Forscher die Daten mit einem Modellierungsverfahren aus, das kausale Zusammenhänge berücksichtigt. Das Verfahren erlaubt es, die Richtung der Netzwerkkommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen zu bestimmen. „Durch unsere Methode konnten wir nicht nur feststellen, welche Bereiche gleichzeitig aktiviert sind, sondern auch, welcher Teil welchen anderen in welcher Erholungsphase beeinflusst“, erläutert Kuhnke. Potenzial für spätere personalisierte Therapie „Die Erkenntnisse bergen das Potenzial, in Zukunft Patientinnen und Patienten individuell therapieren zu können, etwa mit einer gezielten Neurostimulation“, prognostiziert Hartwigsen. Doch bis dahin müsse noch weiter geforscht werden, mit noch mehr Probanden sowie umfangreicheren und detaillierteren Analysen. Parallel arbeiten die Wissenschaftler daran, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, mit denen sich eine gute Spracherholung nach einem Schlaganfall bereits kurz nach dem Ereignis prognostizieren lässt.
Mehr erfahren zu: "DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt" DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt Seit Jahren sind wirksame und gut verträgliche Migräneprophylaktika verfügbar, deren Anwendung auch von der aktuellen S1-Leitlinie empfohlen wird. Doch viele Menschen mit schwerer Migräne erhalten diese Medikamente erst spät. Das […]
Mehr erfahren zu: "Experte für Gedächtnisforschung zum Honorarprofessor der Universität Magdeburg ernannt" Experte für Gedächtnisforschung zum Honorarprofessor der Universität Magdeburg ernannt Als Honorarprofessor stärkt Dr. Michael Kreutz die Lehre und Forschung im Bereich der Neurowissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Mehr erfahren zu: "Streeck warnt vor leichter Zugänglichkeit von Drogen" Streeck warnt vor leichter Zugänglichkeit von Drogen „Per Taxi ins Jugendzimmer“: Der Bundesdrogenbeauftragte sieht die leichte Verfügbarkeit von Rauschgift als große Gefahr. Eine Droge bereitet ihm besonders große Sorgen.