Neue Erkenntnisse zur Verbindung von Darm und Gelenken16. September 2021 Bild: Spectral-Design – stock.adobe.com Darmbakterien können die Entwicklung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen fördern, wenn die Barrieren im Darm nicht halten. Darmbakterien könnten aber auch bei der Behandlung behilflich sein, indem sie entzündungshemmende Substanzen bilden. Auf der Pressekonferenz anlässlich des Rheumakongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) erklärte Kongresspräsident Prof. Georg Schett, welche Verbindung es zwischen Darm und Gelenken gibt und wie dies in Zukunft therapeutisch genutzt werden könnte. „Die Darm-Gelenk-Achse, also eine Verbindung von Darm und Gelenken, ist seit Langem bekannt“, sagte Schett, der am Universitätsklinikum Erlangen die Klinik für Rheumatologie und Immunologie leitet. „Ärzte beobachten immer wieder, dass es bei einer Darminfektion zu einer Gelenkentzündung kommt. Umgekehrt leiden Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nicht selten unter Gelenkbeschwerden.“ Worin diese Verbindung besteht, konnte erst ansatzweise geklärt werden. Die Erlanger Forscher haben jedoch in den letzten Jahren neue Erkenntnisse gewonnen. Darmbarrierestörungen kitten So konnten sie zeigen, dass Rheumapatienten häufig eine Barrierestörung im Darm haben. Dadurch geraten Darmbakterien mit dem Immunsystem in Kontakt. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion, die auch auf die Gelenke übergreift. Schett erläuterte: „Immunzellen aus dem Darm können in das Gelenk einwandern und dort die rheumatische Entzündung fördern.“ Die undichte Stelle im Darm könnte zwischen den einzelnen Schleimhautzellen liegen. Diese sind normalerweise durch sogenannte „tight junctions“ fest miteinander verkittet. Die „Klebe“ kann durch das Protein Zonulin gelöst werden, das von den Darmzellen selbst gebildet wird, angeregt durch Darmbakterien. Ein Team um den DGRh-Kongresspräsidenten konnte jüngst zeigen, dass bei Rheumapatienten vermehrt Zonulin im Darm gebildet wird. Bei einem Mäusemodell der Erkrankung war die Produktion sogar schon erhöht, bevor es zu einer Gelenkentzündung kam. Die Beobachtungen könnten langfristig zu einer neuen Behandlung führen. Denn in klinischen Studien wird derzeit ein Wirkstoff getestet, der Zonulin blockiert: Larazotid wird dort an Patienten mit der Darmkrankheit Zöliakie erprobt. Die Erlanger Forscher konnten in “Nature Communications” (2020; 11:1995) zeigen, dass Larazotid bei Mäusen auch die rheumatischen Gelenkbeschwerden lindert. Einfluss der Ernährung: Darmbakterien gezielt anfüttern Eine weitere Behandlungsmöglichkeit könnte in der Umstellung der Ernährung bestehen. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Darmbakterien antientzündliche Substanzen bilden. „Es handelt sich um kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure, die über die Schleimhaut ins Blut gelangen,”, erklärte Schett. In den Gelenken und anderswo könnten sie Entzündungen lindern. Darmbakterien bilden die kurzkettigen Fettsäuren aber nur, wenn genügend Pflanzenfasern in der Nahrung enthalten sind. Die Forscher haben deshalb in einer Studie untersucht, ob die Darmbakterien durch eine gezielte Ernährung „angefüttert“ werden können. 29 Rheumapatienten verzehrten über 30 Tage einen speziellen ballaststoffreichen Riegel. Danach wurden Stuhl- und Blutproben untersucht. Wie die Forscher im letzten Jahr in “Nutrients” (2020; 12:3207) berichteten, kam es tatsächlich im Blut zu einem Anstieg der kurzkettigen Fettsäuren. Und in den Stuhlproben waren vermehrt die Darmbakterien nachgewiesen worden, die die kurzkettigen Fettsäuren produzieren. Ob die ballaststoffreichen Riegel langfristig auch die Beschwerden der Patienten lindern könnten, wurde noch nicht in einer klinischen Studie untersucht. „Wir gehen aber davon aus, dass die Ernährung über die Darmbakterien einen substanziellen Einfluss auf die Entwicklung von Arthritis ausüben kann“, sagte der Experte. Literatur: Narges Tajik et al. Targeting zonulin and intestinal epithelial barrier function to prevent onset of arthritis. Nature Communications 2020;11(1):1995. DOI: 10.1038/s41467-020-15831-7.
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