Neue S2k-Leitlinie „Fertilitätserhalt bei onkologischen Therapien“

Prof. Sabine Kliesch, Münster
Sabine Kliesch, Leitlinienkoordinatorin für die DGU. Foto: Kliesch

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und die Deutsche Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM) haben eine Leitlinie erstellt, die behandelnde Ärzte bei der Aufklärung von Patienten unterstützen soll, die bei einer Krebstherapie ihre Fertilität erhalten wollen.

Die Leitlinie bietet klare Handlungsempfehlungen für die Beratung und den Einsatz von fertilitätserhaltenden Maßnahmen bei präpubertären Mädchen und Jungen sowie für Patientinnen und Patienten im reproduktiven Alter unter Berücksichtigung ihrer Lebensumstände, der geplanten onkologischen Therapie und ihres individuellen Risikoprofils. Die praxisnah angelegte Leitlinie soll es den behandelnden Ärztinnen und Ärzten im klinischen Alltag ermöglichen, die von der Deutschen Krebsgesellschaft im Rahmen der Zertifizierung onkologischer Zentren geforderten Informationspflichten gegenüber den Patientinnen und Patienten zu erfüllen. Die Leitlinie bietet einen Überblick über die bestehenden Möglichkeiten des Fertilitätserhalts bei Frauen, Männern und Kindern, sowie über das Vorgehen bei ausgewählten Tumorentitäten. Des Weiteren soll die Leitlinie als Grundlage für Gespräche mit den Krankenkassen für Kostenübernahme von fertilitätserhaltende Maßnahmen dienen.

“Patienten nicht ausreichend aufgeklärt”

“Die Erfüllung des Kinderwunsches ist ein integraler Bestandteil des menschlichen Daseins”, betonen die drei Fachgesellschaften in einer gemeinsamen Mitteilung. Zwar können circa 80 Prozent der Patientinnen und Patienten geheilt werden, häufig hat die Therapie jedoch Unfruchtbarkeit durch Zerstörung des Keimgewebes zur Folge. “Der Wunsch nach einem eigenen Kind bei Betroffenen wird nach wie vor nicht ausreichend gewürdigt und die Patienten nicht ausreichend über Möglichkeiten des Fertilitätserhaltes aufgeklärt”, kritisieren die Fachgesellschaften. Dabei könnten durch die großen Fortschritte in der Reproduktionsmedizin den Patientinnen und Patienten fertilitätserhaltende Maßnahmen angeboten werden, die eine realistische Chance der Erfüllung eines späteren Kinderwunsches nach einer gonadotoxischen Therapie bieten.

Möglichkeiten des Fertilitätserhaltes bei männlichen Krebspatienten

Bei pubertären Jungen und bei Männern ist die Kryokonservierung von Spermien ein etabliertes und akzeptiertes Standardverfahren zum Erhalt der Fertilität. Die Gewinnung der Probe erfolgt durch Masturbation. Über 80 Prozent der informierten Betroffenen können nach Angaben der Fachgesellschaften bei Wunsch erfolgreich ein Kryodepot anlegen. Bei einigen Patienten ist aufgrund eines jungen Alters, psychosexueller oder religiöser Faktoren oder aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen eine Gewinnung von Spermien durch Masturbation nicht möglich. Hier kann die transrektale Elektroejakulation unter Allgemeinanästhesie eine Alternative zur Gewinnung einer Samenprobe darstellen. Zum Zeitpunkt der Erkrankung sind rund 20 Prozent aller Tumorpatienten azoosperm oder nicht mehr in der Lage, zu ejakulieren. Für diese Patienten besteht die Möglichkeit der Gewinnung von Hodengewebe zum Zweck der testikulären Spermienextraktion (TESE). Dieses Verfahren ermöglicht 60 bis 70 Prozent der Patienten die Chance, fertilisierungsfähige Spermien einzufrieren.

(DGGG, DGU, DGRM / ms)