Neue S3-Leitlinie: Paradigmenwechsel bei der Therapie der pAVK10. Juli 2025 Symbolfoto: ©MQ-Illustrations/stock.adobe.com Lange Zeit galt, fortgeschrittene Durchblutungsstörungen in den Beinen nach Möglichkeit minimalinvasiv zu beseitigen. Doch die Regel „endovaskulär first“ ist überholt. Diese Erkenntnis ist festgehalten in der aktualisierten S3-Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Ob undurchlässige Gefäße endovaskulär, offen chirurgisch mit einem Bypass oder gar nicht operiert werden, hängt in erster Linie von den Beschwerden, dem Zustand und dem Risiko der Erkrankten ab. Damit erfolgt eine weitgehende Neubewertung der pAVK-Therapie, wie die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) mitteilt. Auch in Bezug auf das frühe Erkrankungsstadium habe ein Umdenken stattgefunden. Drei Mal pro Woche eine Stunde Bewegungstraining Klassischerweise macht sich die pAVK zu Beginn mit krampfartigen Schmerzen in den Waden bemerkbar, die Betroffene beim Gehen zum Anhalten zwingen. Wer sich in diesem Stadium befindet, soll gemäß Leitlinie zunächst ein Gehtraining erhalten, flankiert von Lebensstilmaßnahmen und einer optimalen medikamentösen Therapie – für die Dauer von drei bis sechs Monaten. „Ganz konkret empfehlen wir ein gefäßspezifisches Bewegungstraining mit mindestens drei Übungseinheiten wöchentlich, jeweils zwischen 30 und 60 Minuten“, sagt PD Dr. Ulrich Rother, Vorsitzender der Kommission pAVK und Diabetischer Fuß der DGG und Leitender Oberarzt Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Erlangen. Die medikamentöse Therapie umfasst in jedem Fall ein Statin und einen Thrombozytenfunktionshemmer, idealerweise Clopidogrel, bei Bedarf ergänzt durch weitere Medikamente. „Bessern sich die Symptome, ist die Fortführung dieser konservativen Therapie empfohlen“, so Rother. Gehtraining und Medikamente stehen an erster Stelle Damit rücken operative Maßnahmen im Anfangsstadium der Erkrankung stärker in den Hintergrund. „Verglichen mit früher sind medikamentöse Behandlung, vorbeugende Maßnahmen wie Nikotinabstinenz und Gewichtsreduktion und vor allem Bewegungstraining in der aktualisierten Leitlinie gegenüber den invasiven Eingriffen deutlich aufgewertet“, resümiert Rother. Die Kombination aus Medikamenten und Gehtraining ist auch die richtige Behandlung für alle Patienten, die noch keine Beschwerden spüren, bei denen jedoch ein auffälliger Knöchel-Arm-Index gefunden wurde – das betrifft schätzungsweise ein Viertel aller 45- bis 74-Jährigen. Bei einem Knöchel-Arm-Index unter 0,9 liegt eine pAVK vor. Endovaskuläre und chirurgische Eingriffe sind gleichwertig Doch nicht immer gelingt es, die Schaufensterkrankheit mittels konservativer Therapie zu bessern. „Bei Stagnation oder Verschlechterung kann ein Eingriff erwogen werden“, sagt DGG-Experte Prof. Markus Steinbauer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Was die Art des Gefäßeingriffs betrifft, kommen die Autoren der Leitlinie auf Basis wissenschaftlicher Daten zu dem Schluss, dass beide verfügbaren Methoden – endovaskulär und chirurgisch – gleichwertig sind, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der pAVK. „Früher nahm man an, dass minimalinvasive Eingriffe kaum Komplikationen auslösen“, erläutert Rother. „Doch die Sterblichkeit ist bei beiden Vorgehensweisen vergleichbar, weil sie mehr den schweren Grunderkrankungen der Patientinnen und Patienten geschuldet ist als der Art des Verfahrens.“ Bei Gebrechlichkeit ist kein Eingriff oft die bessere Option Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für betagte Erkrankte, die häufig unter mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden. „Dazu zählt ein größerer Teil unserer Patientinnen und Patienten“, so Steinbauer. Gebrechlichen und älteren Personen mit geistigen Einschränkungen droht zudem durch jedwegen Eingriff eine Verschlechterung ihres körperlichen und mentalen Zustands. „Und das liegt nicht etwa an der Narkose“, betont der Regensburger Gefäßchirurg. „Wir wissen heute, dass es der Eingriff selbst ist, der eine Kaskade an ungünstigen Reaktionen triggert und Demenzen fördert.“ So sei es bei Bettlägerigen häufig die bessere Option, gar keinen Eingriff vorzunehmen und konservativ zu behandeln. Leitlinie rät zur Ermittlung des Gebrechlichkeitsgrades Zur Entscheidungsfindung, ob eine invasive Therapie erfolgen soll, empfiehlt die Leitlinie die Ermittlung des Gebrechlichkeitsgrades – das Frailty-Assessment. Ergibt das Assessment eine alterstypische Muskelschwäche, kann eine gezielte Prähabilitation mit leichten körperlichen Übungen und hochkalorischer Ernährung die Patienten vor dem Eingriff in einen besseren Zustand bringen. „Ist der Betroffene zu gebrechlich und ein Eingriff zu riskant, rücken eine gute Schmerztherapie und eine professionelle Wundpflege in den Fokus, um bestmögliche Lebensqualität zu erhalten“, erläutert Steinbauer.
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