Neue Technologie zur Schwindel-Diagnostik

Bo Håkansson bei der Durchführung des Tests mit dem neuartigen Gerät zur Schwindeldiagnostik. Foto: Johan Bodell/Chalmers University of Technology

Ein neuer Typ von Schallleitungskopfhöreren, der einfach hinter dem Ohr befestigt werden kann, soll künftig die Schwindeldiagnositik effizienter und sicherer machen – insbesondere für schwerhörige Patienten. Die neue Technologie wurde an der Chalmers Universitiy of Technologie in Schweden entwickelt.

Normalerweise wird bei Schwindel zur Diagnostik der VEMP-Test (Vestibular Evoked Myogenic Potentials) durchgeführt, bei dem laute Geräusche einen Muskelreflex in Hals- und Augenmuskeln provozieren, der durch das vestibuläre System ausgelöst wird. Stattdessen nutzt die neue Technologie per Knochenleitung übertragene Geräusche und führt nach Angaben der Entwickler zu besseren Ergebnissen.

„Wir haben ein neuartiges Vibrationsgerät, B250, entwickelt, das während des Tests hinter den Ohren des Patienten platziert wird“, erklärt Prof. Bo Håkansson, von der Forschungsgruppe „Biomedical signals and systems“ an der Chalmers-Universität. „Dieses vibrierende Gerät ist klein, kompakt und daraufhin optimiert einen für das Auslösen des Reflexes ausreichenden Geräuschpegel zu liefern, im niedrigen Frequenzbereich bei etwa 250 Hz. Dieser hat sich als optimal für die VEMP-Stimulation erwiesen. Bisher gab es kein Vibrationsgerät, das für diese Art von Test für das Gleichgewichtssystem eingesetzt werden konnte.“

Schwindel häufig bei älteren Patientinnen und Patienten

Etwa die Hälfte der über 65-Jährigen leidet unter Schwindel, die Ursache kann aus verschiedenen Gründen schwierig zu diagnostizieren sein. In etwas 50 Prozent der Fälle geht der Schwindel auf Probleme im vestibulären System zurück. Allerdings habe die heute eingesetzte Methode des VEMP-Test ein großes Manko, so Håkansson: Der Test nutzt sehr laute Geräusche, die das Gehör dauerhaft schädigen können. Und wenn die Betroffenen zusätzlich bestimmte Typen von Hörverlust haben, ist der Test manchmal nicht aussagekräftig.

Karl-Johan Fredén Jansson. Foto: Johan Bodell/Chalmers University of Technology

Wie Projektmitarbeiter Karl-Johan Fredén Jansson betont, ist die Schallleitungstechnologie sehr viel angenehmer für Patienten und Patientinnen. Der Geräuschpegel, dem sie ausgesetzt sind, könne minimiert werden: Der Test kann mit bis zu 40 Dezibel geringeren Geräuschpegeln durchgeführt werden, als die aktuelle Methode. Dies eleminiere das Risiko einer Gehörschädigung durch den Test selbst, so Fredén Jansson .

Auch sei der Test sicherer für Kinder. Außerdem könne eine Schwindeldiagnostik auch bei Patientinnen und Patienten mit einem beeinträchtigten Gehör aufgrund chronischer Ohrinfektionen oder angeborener Fehlbildungen des Gehörgangs oder des Mittelohrs durchgeführt werden, so Håkansson.

Ein Prototyp des neuen Geräts wurde bereits 2018 entwickelt. Nun wurde es in verschiedenen international publizierten Studien mit Patienten getestet und weiterentwickelt. Eingeschlossen wurden sowohl Gesunde, um normale Daten zugewinnen, als auch Patienten, die an verschieden Typen von Schwindel litten. Das Gerät ist nach Angaben der Entwickler kompatibel mit der üblichen Ausstattung zur Schwindeldiagnostik und somit einfach einsetzbar. Neben den Vorteilen für Patienten seien auch die Kosten geringer. Zur Zeit sei man in Kontakt mit verschieden Firmen, die die Technik kommerzialisieren möchten. (ja)