Dauerstress im Gehirn: Neue Ursache identifiziert

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Ein internationales Forscherteam hat einen neuen, für die verzögert eintretende Stressreaktion und die Langzeitwirkungen von Stress verantwortlichen Prozess im Gehirn identifiziert: Über das Hirnwasser wird mit einer zehnminütigen Verzögerung nach dem Auftreten von „Gefahr“ derjenige Hirnbereich aktiviert, der auf den Stress reagiert und für das weitere Verhalten verantwortlich ist.

Bisher waren zwei Hauptstressmechanismen des Gehirns bekannt, erklärt Tibor Harkany von der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien: „Für die Auslösung beider Mechanismen ist eine im Hypothalamus befindliche Nervenzellengruppe verantwortlich. Der eine Prozess ist ein hormoneller Weg, bei dem letztendlich über den Blutstrom aus der Nebenniere heraus innerhalb von Sekunden nach der Stresseinwirkung Hormone freigesetzt werden. Der andere Prozess, der Weg über die Nerven, ist noch schneller. In seinem Verlauf kommt es in Sekundenbruchteilen zu einer unser Verhalten entscheidend beeinflussenden direkten Nervenverbindung in Richtung des präfrontalen Cortex.”

Dritter Stressmechanismus im Gehirn identifiziert

Bei den aktuellen Untersuchungen stellten die Wissenschaftler nun fest, dass dieselben Nervenzellen auch fähig sind, auch auf einem dritten Weg eine Stressreaktion auszulösen, deren Wirkung außerdem um einiges später auftritt und dauerhaft ist. Dieser Mechanismus läuft über das Hirnwasser ab. Dabei gelangt auch ein für die Entwicklung und Instandhaltung des Nervensystems wichtiges Molekül, der ziliare neurotrophe Faktor (CNTF), der im Hirnwasser kreist, zur Stresszentrale.

Durch die Vermittlung über das Hirnwasser ist der neu entdeckte Mechanismus viel langsamer als der über den Blutstrom ablaufende Prozess. Im Hirnwasser wird der Stoff langsamer verdünnt und kann deshalb seine Wirkung länger andauernd entfalten. Die im Hirnwasser befindlichen Moleküle hingegen bombardieren die Nervenzellen des Stresszentrums, die den präfrontalen Cortex kontinuierlich wach halten, unaufhörlich. In dessen Folge kommt es zu einem wacheren Zustand des Nervensystems mit einer höheren Reaktionsfähigkeit.

Nach Ansicht der Forscher ist es sehr wahrscheinlich, dass bei starkem Stress alle drei bekannten Mechanismen einsetzen. Bei der Bildung der verzögerten, und damit dauerhaften Wirkung spielt der dritte Prozesstyp eine bedeutende Rolle.

Besseres Verständnis neuronaler Prozesse

Die Entdeckung des neuen Prozesses kann, so das Forscherteam, neue Perspektiven für das Verständnis der Entstehung des posttraumatischen Syndroms eröffnen. Der Umstand, dass aus akutem Stress ständiger, chronischer Stress wird, und sich etwa in einem Burnout äußert, bedeutet für die menschliche Gesellschaft eine ernsthafte Herausforderung. „Das Verständnis des dahin führenden nervlichen Prozesses kann neue Optionen zur Behandlung dieser neuropsychiatrischen Erkrankungen eröffnen“, betont Tibor Harkany von der MedUni Wien. In der aktuellen Studie haben die Forscher mehrere molekulare Mechanismen aufgezeigt, die künftig Targets für sie Medikamenten-Entwicklung in der der Pharmakologie sein können.  

Originalpublikation:
Alpár A. et al.: Hypothalamic CNTF volume transmission shapes cortical noradrenergic excitability upon acute stress. EMBO J 2018;37:e100087.