Neue „Zielscheibe“ für nebenwirkungsarme Kortisontherapie bei Rheumatoider Arthritis20. Juli 2018 Jan Tuckermann leitet an der Universität Ulm das Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere (Foto: Eberhardt/Uni Ulm) Bei Rheumatoider Arthritis werden schmerzende Gelenke oft mit kortisonhaltigen Medikamenten behandelt, deren Nebenwirkungen von Osteoporose bis Diabetes reichen. Eine Forschungsgruppe um Prof. Jan Tuckermann, Universität Ulm, und Dr. Ulrike Baschant, TU Dresden, hat molekulare Mechanismen der Kortisonbehandlung aufgedeckt. Die Studienergebnisse sollen zu einer gezielteren und somit nebenwirkungsarmen Therapie rheumatischer Erkrankungen beitragen. Viele Patientinnen und Patienten mit Rheumatoider Arthritis können ihren Alltag während eines Schubs nur mithilfe von kortisonhaltigen Medikamenten meistern. Doch bei jahrelanger entzündungshemmender Kortisontherapie drohen Resistenzen und schwere Nebenwirkungen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun die molekulare Wirkweise von Kortison im Detail nachvollzogen und für die Entzündungshemmung wichtige Zelltypen identifiziert. Das Entwicklungsziel für neue, gezielter wirkende Medikamente: Patienten sollen möglichst ohne gesundheitliche Risiken vom schmerzstillenden Effekt des Arzneistoffs profitieren. Histologische Untersuchungen von arthritischen Wildtyp-Mäusen (obere Reihe) und Mäusen mit einer Mutation des Kortison-Rezeptors (GR) in nicht-Immunzellen. In arthritischen Mäusen (l.) zeigen Wildtyp- und mutante Mäuse starke Einwanderungen von entzündlichen Zellen im Gelenk (Sternchen). Bei der Steroidtherapie (r.) verschwinden die Entzündungszellen in Wildtyp Mäusen, aber nicht bei den mutanten Mäusen (r.) (Abb.: Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere) In der Zellkultur und in Mausmodellen mit teils ausgeschaltetem Kortisonrezeptor konnte die Gruppe zeigen, dass synoviale Fibroblasten eine herausragende, aber indirekte Rolle für die schmerzstillende Kortisontherapie spielen. Dabei handelt es sich um Bindegewebszellen im Gelenkspalt, die sich bei einer Arthritis stark ausbreiten und die Entzündung fördern. Bei einer Behandlung mit Kortison aktivieren diese Fibroblasten vor allem Makrophagen, die Entzündungsherde beseitigen. Demgegenüber ist die direkt durch den Kortisonrezeptor vermittelte Wirkung des Arzneistoffes auf Immunzellen gering. „Bisher wurde die Wirkung kortisonhaltiger Präparate auf synoviale Fibroblasten lediglich in der Zellkultur untersucht, wodurch sich das Zusammenspiel mit anderen Zellen schwer nachvollziehen lässt. Jetzt konnten wir allerdings erstmals im Mausmodell zeigen, dass gerade die Interaktion der Fibroblasten mit den Fresszellen entscheidend für den Erfolg der antientzündlichen Kortisontherapie ist“, sagt Tuckermann, Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Endokrinologie der Tiere. Außerdem gelang es den Foscherinnen und Forschern, eine „Lehrbuchmeinung“ zu widerlegen: Offenbar spielt die Hemmung klassischer Zytokine doch keine Schlüsselrolle bei der Arthritis-Behandlung. Aus diesen Ergebnissen aus dem Labor lassen sich konkrete Verbesserungen für die Rheumatherapie ableiten: „Künftige Medikamente sollten entzündungshemmende Wirkstoffe gezielt an Bindegewebszellen im Gelenkspalt, die synovialen Fibroblasten, abgeben oder an Mediatoren, die wir bei RNA-Analysen identifiziert haben“, sagt Mascha Koenen von der Uni Ulm, die Erstautorin der Studie. Werden diese pharmakologischen Zielscheiben direkt anvisiert, könnte die Behandlung rheumatischer Erkrankungen optimiert und Nebenwirkungen reduziert werden. Denn gerade auch bei jüngeren Patienten mit Rheumatoider Arthritis sollten gesundheitsgefährdende Langzeitfolgen der schmerz- und entzündungshemmenden Therapie verhindert werden. Die Forschergruppe von den Universitäten Ulm, Dresden, Erlangen-Nürnberg, Lyon I sowie vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipman-Institut (Jena) wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Schwerpunktprogramm “Immunobone”) unterstützt. Weitere Förderer umfassen den Ulmer Trauma-Sonderforschungsbereich 1149, die Boehringer Ingelheim Stiftung, das Trilaterale Consortium für Osteoporose sowie Förderprogramme der Universität Ulm. Originalpublikation: Koenen M, Culemann S, Vettorazzi S, Caratti G, Frappart L, Baum W, Krönke G, Baschant U, Tuckermann J. The glucocorticoid receptor in stromal cells is essential for glucocorticoid-mediated suppression of inflammation in arthritis. Annals of the Rheumatic Diseases. Published Online First: 11 July 2018. doi: 10.1136/annrheumdis-2017-212762
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