Neuer Bluttest auf Grundlage Künstlicher Intelligenz: Identifizierung von Lungenkrebs mit hoher Genauigkeit

Abbildung: © Carolyn Hruban (Adaption)

Mit einer neuen Technologie für Bluttests, die auf Künstlicher Intelligenz beruht, haben Forschende des Johns Hopkins Kimmel Cancer Center (USA) in einer Untersuchung von fast 800 Personen mit und ohne Krebserkrankung mehr als 90 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs nachweisen können.

Der Testansatz mit dem Namen DELFI (DNA Evaluation of Fragments for Early Interception), erkennt spezielle Muster in der Fragmentierung der DNA, die von im Blutkreislauf zirkulierenden Krebszellen abgegeben wird. Bei der Anwendung dieser Technologie auf Blutproben von 796 Personen in Dänemark, den Niederlanden und den USA stellten die Forschenden fest, dass der DELFI-Ansatz genau zwischen Patientinnen und Patienten mit und ohne Lungenkrebs unterscheidet.

Durch die Kombination des Tests mit der Analyse klinischer Risikofaktoren, eines Protein-Biomarkers und anschließender Computertomographie-Bildgebung half DELFI dabei, 94 Prozent der Personen mit Krebs in allen Stadien und aller Subtypen zu erkennen. Dies umfasste 91 Prozent der Patientinnen und Patienten mit früheren oder weniger invasiven Krebserkrankungen im Stadium I/II und 96 Prozent der Personen mit fortgeschritteneren Krebserkrankungen im Stadium III/IV.

Laut Seniorautor Prof. Victor E. Velculescu, Professor für Onkologie und Co-Direktor des Programms für Krebsgenetik und Epigenetik am Johns Hopkins Kimmel Cancer Center unterziehen sich weniger als sechs Prozent der US-Amerikaner mit einem Risiko für Lungenkrebs einer empfohlenen Niedrigdosis-CT-Untersuchung – und das, obwohl laut Expertinnen und Experten Zehntausende von Todesfällen vermieden werden könnten. Außerhalb der USA werde noch weniger gescreent, betont Velculescu. Dies sei auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen, darunter Bedenken hinsichtlich potenzieller Schäden, die auf falsch positive Ergebnisse der Bildgebung, die Strahlenbelastung bei der Untersuchung oder Bedenken im Zusammenhang mit Komplikationen bei invasiven Verfahren. „Es ist klar, dass ein dringender, ungedeckter klinischer Bedarf an der Entwicklung alternativer, nichtinvasiver Ansätze besteht, um die Krebsfrüherkennung bei Hochrisikopatientinnen und -patienten und letztendlich in der Allgemeinbevölkerung zu verbessern“, betont Hauptautor Dimitrios Mathios, Postdoc am Johns Hopkins Kimmel Cancer Center. „Wir glauben, dass ein Bluttest oder eine Flüssigbiopsie bei Lungenkrebs eine gute Möglichkeit sein könnte, die Screening-Bemühungen zu verbessern, weil sie einfach durchzuführen, allgemein zugänglich und kostengünstig wäre.“

Bei der DELFI-Technologie wird ein Bluttest verwendet, um indirekt zu messen, wie die DNA im Zellkern verpackt ist. Dabei werden Größe und Menge der zellfreien DNA im Blutkreislauf aus verschiedenen Regionen des Genoms untersucht. Gesunde Zellen verpacken DNA wie einen gut organisierten Koffer, in dem verschiedene Regionen des Genoms sorgfältig in verschiedene Kompartimente gelegt werden. Im Gegensatz dazu stellen sich die Kerne von Krebszellen eher wie unordentliche Koffer dar, in die willkürlich Bestandteile aus dem gesamten Genom hineingeworfen werden. Wenn Krebszellen sterben, geben sie DNA auf chaotische Art und Weise in den Blutkreislauf ab. DELFI trägt dazu bei, das Vorhandensein von Krebs mithilfe von maschinellem Lernen zu erkennen, um Millionen zellfreier DNA-Fragmenten auf anomale Muster hin zu untersuchen, einschließlich der Größe und Menge der DNA in verschiedenen Genomregionen. Dieser Ansatz bietet einen Blick auf zellfreie DNA (Fragmentom). Der DELFI-Ansatz erfordert nur eine Sequenzierung des Genoms mit geringer Abdeckung – dadurch könne diese Technologie in einem Screening-Kontext kostengünstig sein, betonen die Forschenden.

Für die Studie führten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Johns Hopkins in Zusammenarbeit mit Forschenden in Dänemark und den Niederlanden zunächst eine Genomsequenzierung von zellfreier DNA in Blutproben von 365 Personen durch, die an einer siebenjährigen dänischen Studie namens LUCAS teilnahmen. Die Mehrheit der Teilnehmenden besaß ein hohes Risiko für Lungenkrebs und litt an durch Rauchen verursachten Symptomen wie Husten oder Atembeschwerden. Der DELFI-Ansatz ergab, dass Patientinnen und Patienten, bei denen später Lungenkrebs festgestellt wurde, weitreichende Unterschiede in ihren Fragmentomprofilen aufwiesen. Personen hingegen, bei denen kein Krebs festgestellt wurde, zeigten konsistente Fragmentomprofile.

Anschließend validierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die DELFI-Technologie an einer anderen Population von 385 Personen ohne sowie 46 Patientinnen und Patienten mit einer Krebsdiagnose. Insgesamt wurden mithilfe des Ansatzes mehr als 90 Prozent der von Lungenkrebs Betroffenen entdeckt, in frühen und fortgeschrittenen Stadien sowie mit verschiedenen Subtypen.

„DNA-Fragmentierungsmuster bieten einen bemerkenswerten Fingerabdruck für die Früherkennung von Krebs, von dem wir glauben, dass er die Grundlage für einen weithin verfügbaren Flüssigbiopsie-Test für Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs sein könnte“, unterstreicht Studienautor Prof. Rob Scharpf, außerordentlicher Professor für Onkologie am Johns Hopkins Kimmel Cancer Center.

In einer nationalen klinischen Studie mit dem Namen DELFI-L101 – laut den Forschenden die erste ihrer Art – wird ein auf der DELFI-Technologie basierender Test an 1700 Teilnehmern in den USA bewertet. Die Arbeitsgruppe plant, DELFI auch bei Personen mit anderen Krebserkrankungen zu untersuchen.