Neuer Mutationskatalog erleichtert personalisierte Krebstherapie

Carla Tangermann (li.) und Sven Diederichs (re.) konnten mit einem großen Forschungsteam 11.000 Genmutationen auf ihre Bedeutung in Krebszellen bewerten. (Foto: © Universitätsklinikum Freiburg)

Wissenschaftler haben mehr als 11.000 Genveränderungen in Tumorzellen bewertet und einen entsprechenden Katalog erstellt. Die Ergebnisse sollen bei Therapieentscheidungen helfen.

Wenn bei Krebspatienten Genveränderungen im Tumor gefunden werden, ist oft unklar, ob sie das Tumorwachstum fördern oder ob eine gezielte Therapie wirken könnte. Ein Forschungsteam unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg hat nun einen Katalog erstellt. Darin bewerten sie mehr als 11.000 Genvarianten einer zentralen Genfamilie bezüglich ihrer Rolle beim Tumorwachstum.

Entsprechende Veränderungen finden sich bei mehr als vier Prozent aller Tumoren. Das entspricht mehr als 20.000 Patienten jährlich in Deutschland. Eine entsprechende genetische Diagnose kann durch die Arbeit künftig schneller eingeordnet und die Therapie gezielter gewählt werden. Die Ergebnisse der Studie haben die Forschenden gerade im Journal „Nature Genetics“ veröffentlicht.

„Schon vor Veröffentlichung der Studie konnten wir Kliniken in Europa helfen, Genveränderungen bestimmter Patient*innen einzuordnen und damit die passendste Therapie zu wählen“, sagt Studienleiter Prof. Sven Diederichs, Leiter der Abteilung Onkologische Forschung an der Klinik für Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Freiburg. „Das zeigt, wie dringend diese Informationen gebraucht werden und wie sehr sie bei Therapieentscheidungen helfen.“. Die Studie entstand gemeinsam mit Wissenschaftlern am Partnerstandort Freiburg des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) sowie in enger Zusammenarbeit der drei DKTK-Standorte Freiburg, Heidelberg und München.

Veränderte Wachstumsgene im Fokus der Krebsforschung

Im Zentrum der Studie stehen Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFR). Die FGFR-Gene steuern im gesunden Körper Wachstumsprozesse. Liegen sie aber in veränderter Form vor, können sie die Entstehung von Tumoren begünstigen. In der Praxis war bislang oft unklar, welche dieser genetischen Veränderungen das Tumorverhalten beeinflussen – etwa indem sie Medikamente blockieren oder therapeutisch nutzbar sind. Der neue Katalog liefert dazu erstmals eine fundierte Einschätzung für viele bisher uncharakterisierte Veränderungen.

„Wir können jetzt viel genauer sagen, welche FGFR-Genveränderungen das Tumorwachstum fördern und welche gut behandelbar sind“, erklärt Dr. Carla Tangermann, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin in Diederichs Forschungsgruppe an der Klinik für Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und im DKTK. „Das gibt Ärzt*innen weltweit im Klinikalltag ein wichtiges Werkzeug an die Hand.“

Schnelle Auswertung durch systematische Analyse

Um alle möglichen Varianten dieser Gene zu analysieren, hat das Team gezielt jede Position innerhalb der FGFR-Gene verändert und deren Auswirkungen in lebenden Zellen untersucht. So konnten die Forschenden mit hoher Genauigkeit erkennen, welche Genveränderungen das Krebswachstum fördern oder die Wirkung gezielter Medikamente verhindern.

Besonders erfreulich: In 97 Prozent der Fälle, in denen bereits klinische Daten zu einer Therapieresistenz vorlagen, stimmten die Ergebnisse der Laborexperimente mit Beobachtungen bei Patienten überein. Das bestätigt die hohe Aussagekraft der neuen Datenbank.

Grundlagenforschung trifft klinischen Nutzen

„Diese Studie zeigt eindrucksvoll, wie Grundlagenforschung und klinische Versorgung in der Universitätsmedizin Freiburg zusammenwirken“, unterstreicht Prof. Lutz Hein, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg. „Solche Ansätze helfen dabei, Therapien schneller zu den Patient*innen zu bringen und das Behandlungsangebot Schritt für Schritt zu erweitern.“

Nächste Schritte: Integration in die klinische Praxis

Der neue Mutationskatalog soll künftig in internationale Datenbanken eingebunden werden. Ziel ist es, behandelnden Ärzten eine noch einfachere Nutzung im Klinikalltag zu ermöglichen. Darüber hinaus plant das Team, auch andere Genfamilien nach dem gleichen Prinzip zu untersuchen. Damit will man die personalisierte Krebstherapie weiter verbessern und Unsicherheiten bei der Bewertung seltener Genveränderungen verringern.

Für einige Mutationen werden jedoch weiterhin zusätzliche Daten benötigt.