Neuer SCLC-Subtyp: Atypisches kleinzelliges Karzinom spricht nicht gut auf Standardtherapien an

Abbildung: © males_design/stock.adobe.com

Ein Team des Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSK) in den USA hat nach eigenem Bekunden eine neue, seltene Art des Kleinzelligen Lungenkrebs (SCLC) entdeckt, die vor allem jüngere Menschen betrifft, die nie geraucht haben.

Die Ergebnisse der Forschenden, die eine detaillierte Analyse der klinischen und genetischen Merkmale der Erkrankung umfassen, zeigen auch Vulnerabilitäten auf, die helfen könnten, bessere Behandlungsentscheidungen für Menschen zu treffen, bei denen die Krankheit diagnostiziert wurde.

„Man entdeckt nicht jeden Tag einen neuen Krebs-Subtyp“, erklärt Dr. Natasha Rekhtman. Die Pathologin ist auf Lungenkrebs spezialisiert und Erstautorin der in „Cancer Discovery“ veröffentlichten Arbeit, in der die Analyse des Teams vorgestellt wird. „Diese neue Krankheitsart weist ausgeprägte klinische und pathologische Merkmale sowie einen andersartigen molekularen Mechanismus auf.“ An der Untersuchung waren 42 Mediziner und Forscher des MSK beteiligt – von Pneumo-Onkologen über Pathologen bis hin zu Spezialisten für Tumorgenetik und Computeranalyse. „Um diese neue Art von Lungenkrebs zu verstehen, war ein breites Spektrum an Fachwissen vom Labor bis zur Klinik erforderlich“, erläutert Dr. Charles Rudin, Lungenkrebsspezialist und Seniorautor der Studie.

Definition eines neuen Lungenkrebs-Subtyps: Atypisches kleinzelliges Karzinom

SCLC macht laut der American Cancer Society zehn bis 15 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen aus. Dabei entfällt auf den nun neu entdeckten Subtyp lediglich einen Bruchteil: Von 600 Patienten mit SCLC, deren Erkrankung für die Studie analysiert wurde, stellte man bei nur 20 Personen (3%) den seltenen Subtyp fest.

Normalerweise ist SCLC durch die Deaktivierung zweier Gene gekennzeichnet, die vor der Entstehung von Krebs schützen – RB1 und TP53 –, jedoch zeigen Patienten mit dem neuen Subtyp intakte Kopien dieser Gene. Stattdessen wiesen die meisten eine typische „Zertrümmerung“ eines oder mehrerer Chromosomen in ihren Krebszellen auf (Chromothripsis).

Der neue Subtyp scheint durch die Umwandlung neuroendokriner Tumore geringeren Grades (Lungenkarzinoide) in aggressivere Karzinome zu entstehen. Das Forschungsteam hat den neuen Typ „atypisches kleinzelliges Lungenkarzinom“ getauft.

„Patienten, die an SCLC erkranken, sind in der Regel älter und haben eine signifikante Rauchervorgeschichte“, berichtet Rudin, stellvertretender Direktor des MSK-Krebszentrums. „Der erste Patient, den wir mit atypischem SCLC identifizierten und dessen Fall uns dazu veranlasste, nach weiteren Informationen zu suchen, war gerade einmal 19 Jahre alt und Nichtraucher.“ Dies traf auch auf die übrigen Patienten mit diesem Subtyp zu. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnose betrug 53 Jahre – was als jung gilt, denn das Durchschnittsalter für Patienten mit einer Lungenkrebsdiagnose liegt bei 70 Jahren. 65 Prozent dieser Patienten hatten niemals geraucht, während 35 Prozent einen vergleichsweise leichten Tabakkonsum in der Vergangenheit angaben (weniger als 10 Packungsjahre).

Behandlung atypischer kleinzelliger Lungenkarzinome

Die Analyse ergab auch, dass die einzigartigen genomischen Veränderungen, die zu atypischem SCLC führen, bedeuten, dass standardmäßige, platinbasierte Chemotherapien der ersten Wahl nicht so gut wirken. Aber: Die Untersuchungsergebnisse deuten auf einige Behandlungsstrategien hin, die möglicherweise besser funktionieren.

„Wir sprechen oft von Krebs als einer fortschreitende Anhäufung von Mutationen“, erklärt Rekhtman. „Aber dieser Krebs hat eine ganz andere Entstehungsgeschichte. Bei Chromothripsis gibt es ein großes katastrophales Ereignis, das aus dem Chromosom einen Frankenstein’ macht und die Dinge auf eine Weise neu anordnet, die mehrere Genabweichungen verursacht ‒ einschließlich der Amplifikation bestimmter Krebsgene.“

Deshalb können laut den Wissenschaftlern Patienten mit atypischem SCLC beispielsweise von experimentellen Medikamenten profitieren, die auf die ungewöhnlichen DNA-Strukturen abzielen, die durch Chromothripsis entstehen, und die man als extrachromosomale zirkuläre DNA bezeichnet.

Ein Fall war Anlass zu Detektivarbeit

Khaliq S. war 19 Jahre alt, als bei ihm SCLC diagnostiziert wurde. Zum Zeitpunkt der Diagnose hatte sich der Krebs bereits auf andere Teile seines Körpers ausgebreitet.

„Das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Rudin, der neben Dr. Lisa DeAngelis und anderen Kollegen einer der Ärzte war, die Khaliq behandelten. „Diese Krebsart wird fast immer mit starkem Rauchen in Verbindung gebracht. Das veranlasste uns, nach anderen ähnlichen Beispielen von Nichtrauchern mit SCLC zu suchen. Mithilfe der medizinischen Onkologen in der Klinik und der Pathologen, die diese Proben untersuchten, konnten wir eine Gruppe von Patienten identifizieren, auf die dieses Muster zutraf.“ Rekhtman ergänzt: „Dann begannen wir, tiefer zu graben, um zu verstehen, was bei diesen ungewöhnlichen Krebsarten wirklich passiert.“

Im MSK wird bei Patienten routinemäßig die Tumor-DNA mit dem MSK-IMPACT-Test sequenziert. Dieser Test analysiert Veränderungen an mehr als 500 Schlüsselgenen, von denen bekannt ist, dass sie Krebs verursachen. Dies trägt zur Identifizierung von Medikamenten bei, die am besten gegen die vorliegenden spezifischen Mutationen wirken.

„Wir haben uns also nicht nur Patienten mit bestimmten demografischen Merkmalen angesehen – junge Nichtraucher –, sondern konnten diese einzigartige MSK-Ressource auch nutzen, um nach Patienten zu suchen, deren Tumore dieselben genomischen Merkmale wie bei Khaliq aufwiesen“, erklärt Rekhtman. Darüber hinaus ermöglichte die Fülle der am MSK verfügbaren Sequenzierungs- und Behandlungsdaten, Behandlungsprogramme und -Outcomes derjenigen Patienten zu vergleichen, bei denen der neue Subtyp identifiziert wurde. So konnten Strategien erarbeitet werden, die anderen Patienten mit der Diagnose atypisches SCLC helfen könnten.

Rudin fasst zusammen: „Wir haben von diesen Patienten einige wichtige Erkenntnisse gewonnen. Im Allgemeinen reagieren sie nicht so gut auf Standardbehandlungen wie typische SCLC-Patienten, aber unsere Studie deutet auf mehrere potenzielle neue oder etablierte Therapiemöglichkeiten hin.“