Neuerkrankungsrate von Demenz ist rückläufig

Prof. Rafael Weißbach hat in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern herausgefunden, dass die Neuerkrankungsraten an Demenz rückläufig sind. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wurden dazu anonymisierte Daten von 250.000 AOK-Versicherten ausgewertet. (Foto: privat)

In Deutschland leben nach jüngsten epidemiologischen Schätzungen rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Die Zahl der Demenzkranken wird in Zukunft dramatisch steigen, dennoch nimmt das altersspezifische Demenzrisiko ab.

„Obwohl die Anzahl der Erkrankten ansteigt, sinkt über den gesamten Lebenslauf die Wahrscheinlichkeit, an Demenzen und damit auch an Alzheimer zu erkranken“, sagt Prof. Rafael Weißbach, der den Lehrstuhl Statistik und Ökonometrie an der Universität Rostock leitet. Was scheinbar widersprüchlich klingt, da in einer alternden Gesellschaft die Anzahl der über 65-Jährigen steigt, ist kein Widerspruch.

Der 49-jährige Mathematiker hat in einem Forschungsprojekt, an dem auch Prof. Gabriele Doblhammer sowie das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIDO) beteiligt waren, herausgefunden, dass die Neuerkrankungsraten an Demenz rückläufig sind. Über einen Zeitraum von zehn Jahre wurden dazu anonymisierte Daten von 250.000 AOK-Versicherten ausgewertet.

„Da immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, sind neurodegenerative Erkrankungen ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft geworden“, sagt Doblhammer. Neben der Universität Rostock arbeitet die Wissenschaftlerin auch am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn und steht der Deutschen Gesellschaft für Demographie vor. Die jüngsten Ergebnisse der Rostocker Studie kommentiert sie so: „Es ist unklar, ob der aktuell stattfindende Rückgang der altersspezifischen Erkrankungsraten auch in Zukunft stattfinden wird. Tatsache ist, dass sich Demenzen von einer früher wenig sichtbaren Krankheit zu einer Volkskrankheit hin entwickeln werden, von der fast jede Familie betroffen sein wird.“

Weißbach hat das Ergebnis seiner Forschung mit einer Modellrechnung auch überrascht. „Aber Zahlen sind unbestechlich“, sagt der Statistiker. Er und sein Mitarbeiter, Dr. Achim Dörre, haben dazu zehnjährige Geburtsjahrgänge der vor 1955 Geborenen getrennt betrachtet. Dadurch wurde der Trend sichtbar.

Bislang stand die Frage im Raum, ob ein Trend in der Neuerkrankungsrate von Demenz für Geburtsjahrgänge überhaupt statistisch nachweisbar ist. Die Ergebnisse zeigen: Er ist es. Weißbach hat gemeinsam mit Prof. Alexander Meister vom Institut für Mathematik der Universität Rostock Algorithmen entwickelt und somit neue Methoden für eine lückenlose Datenauswertung gefunden. Denn: Eine zuverlässige Datenbasis mit den aktuellen Zahlen von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen ist unverzichtbar für die Vorhersage der zukünftigen Anzahl der Menschen, die solche Erkrankungen erleiden, und der damit verbundenen Kosten für medizinische Versorgung und Pflege.

Ziel ist daher die Etablierung einer deutschlandweiten Datenbank („NeuroDiseaseMonitor“), die auf den Daten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) basiert. Dabei sollen umfassend, genau und langfristig Daten zu Charakteristika neurodegenerativer Erkrankungen erfasst und einem wissenschaftlichen und interessierten Publikum zur Verfügung gestellt werden. Die Rostocker Forscher haben dafür die Weichen gestellt.