Neues Hydrogel kann wie Haut heilen

Künstlerische Darstellung von Hydrogelen in einem durch Selbstheilung gebildeten Möbius-Ring. © Margot Lepetit / Aalto University

Forschende haben ein Hydrogel entwickelt, das erstmals Stärke, Flexibilität und Selbstheilungsfähigkeit vereint. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachjournal „Nature Materials“.

Die menschliche Haut hat einzigartige Qualitäten, die nur sehr schwer zu reproduzieren sind. Sie verbindet hohe Steifigkeit mit Flexibilität und verfügt über bemerkenswerte Selbstheilungskräfte. Bislang konnten künstliche Gele entweder diese hohe Steifigkeit oder die Selbstheilungseigenschaften der natürlichen Haut nachahmen, aber nicht beides. Nun hat ein Forschungsteam der Aalto-Universität und der Universität Bayreuth als erstes ein Hydrogel mit einer Struktur entwickelt, das frühere Beschränkungen überwindet und damit Anwendungen wie die Verabreichung von Medikamenten, Wundheilung, weiche Robotersensoren und künstliche Haut ermöglicht.

In ihrer Studie fügten die Forschenden ultradünne spezielle Ton-Nanoschichten (Nanosheets) mit außergewöhnlich großen Durchmessern in Hydrogele ein, die normalerweise weich und elastisch sind. Diese Nanosheets wurden von Prof. Josef Breu an der Universität Bayreuth entwickelt und hergestellt. Das Ergebnis ist eine hochgeordnete Struktur mit dicht verschlauften Polymerketten zwischen den Nanosheets. Dies verbessert nicht nur die mechanischen Eigenschaften des Hydrogels, sondern ermöglicht weiterhin seine Selbstheilung.

Das Geheimnis des Materials liegt nicht nur in der geordneten Anordnung der Nanosheets, sondern auch in den Polymerketten, die sich dazwischen verschlaufen – kombiniert mit einem Hertellungsverfahren, das so einfach ist wie Backen. Chen Liang, Postdoktorand an der Aalto-Universität, mischte ein Pulver aus Monomeren mit Wasser, das Nanosheets enthielt. Anschließend wurde die Mischung unter eine UV-Lampe gestellt – ähnlich wie bei der Aushärtung von Gelnagellack. „Die UV-Strahlung der Lampe bewirkt, dass sich die einzelnen Moleküle miteinander verbinden, sodass ein elastischer Feststoff – ein Gel – entsteht“, erklärt Liang.

„Verschlaufung bedeutet, dass sich die dünnen Polymerketten wie winzige Wollfäden umeinander zu einem Wollknäuel aufrollen – allerdings in zufälliger Anordnung“, ergänzt Hang Zhang von der Aalto-Universität. „Wenn die Polymere vollständig verschlauft sind, kann man zwischen den einzelnen Fäden nicht mehr unterscheiden. Auf molekularer Ebene sind sie äußerst dynamisch und beweglich. Wird das Material durchtrennt, beginnen sich die Fäden erneut ineinander zu verschlaufen.“

Vier Stunden nach einem Schnitt mit einem Messer ist dieser daher bereits wieder zu 80 bis 90 Prozent verheilt. Nach 24 Stunden ist das Material in der Regel vollständig repariert. Ein Hydrogelfilm mit einer Dicke von einem Millimeter enthält ca. 10.000 Lagen von Nanosheets. Dadurch ist das Material so steif wie menschliche Haut und besitzt trotzdem eine vergleichbare Dehnbarkeit und Flexibilität.

„Steife, starke und selbstheilende Hydrogele waren lange eine Herausforderung. Wir haben einen neuen Mechanismus entdeckt, um konventionell weiche Hydrogele zu verstärken. Dies könnte die Entwicklung neuer Materialien mit bio-inspirierten Eigenschaften revolutionieren“, sagt Zhang.

„Diese Arbeit ist ein spannendes Beispiel dafür, wie uns biologische Materialien dazu inspirieren, neue Kombinationen von Eigenschaften für synthetische Materialien zu entdecken“, sagt Prof. Olli Ikkala von der Aalto-Universität. „Man stelle sich Roboter mit robuster, selbstheilender Haut oder synthetische Gewebe vor, die sich eigenständig reparieren.“ Zwar sei es noch ein weiter Weg bis zu realen Anwendungen, doch die aktuellen Ergebnisse seien ein entscheidender Fortschritt. „Es ist eine fundamentale Entdeckung, die die Prinzipien des Materialdesigns grundlegend verändern könnte.“