Neues Medikament für die akute Schlaganfall-Behandlung5. Juli 2022 Mobile Stroke-Units wie die der Berliner Feuerwehr verbessern die Chancen von Schlaganfall-Patienten deutlich. (Foto: Berliner Feuerwehr) Für die Therapie des akuten Schlaganfalls durch einen Gefäßverschluss im Gehirn gilt „time is brain“. Sehr gute Ergebnisse liefert hier der Einsatz von speziellen Rettungswagen, da schon an Bord eine Gerinnsel-auflösende Thrombolysebehandlung begonnen werden kann. Die TASTE-A-Studie legt nun erstmals zusätzliche Vorteile der Substanz Tenecteplase gegenüber Alteplase nahe. Dies berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). In einigen Ländern, auch in verschiedenen deutschen Städten wie Berlin, gibt es spezialisierte Rettungswagen, sogenannte Stroke-Mobile oder mobile Stroke-Units (MSU), die mit einem CT-Gerät ausgerüstet sind, um vor Ort bereits mit einer adäquaten Bildgebung die Diagnose “Ischämischer Schlaganfall” zu sichern und ohne Zeitverlust eine Thrombolyse beginnen zu können. Das Standardmedikament für die Thrombolyse ist Alteplase, ein gentechnisch hergestelltes Fibrinolytikum (rekombinanter Gewebsplasminogenaktivator (rtPA -„recombinant tissue-type plasminogen activator“). Die Substanz Tenecteplase (TNK-t-PA) ist ein modifiziertes Molekül mit größerer Fibrinspezifität und längerer Halbwertszeit, wodurch möglicherweise die Reperfusion und das klinische Outcome verbessert werden. Ein weiterer Vorteil der Substanz, gerade auch für den Einsatz im Stroke-Mobil oder auch bei Notfallverlegungen zwischen Kliniken, ist die einmalige Bolusgabe. Alteplase wird dagegen als Infusion über eine Stunde verabreicht. Bei der Behandlung von Herzinfarkten ist Tenecteplase seit mehr als 20 Jahren im Einsatz; für die Schlaganfall-Behandlung fehlt es jedoch noch an Vergleichsdaten. Derzeit ist Tenecteplase in Deutschland nicht zur Behandlung des Schlaganfalls zugelassen. Die randomisierte, kontrollierte Phase-II-Studie TASTE-A („Tenecteplase versus Alteplase for Stroke Thrombolysis Evaluation Trial in the Ambulance”) aus Australien verglich nun den Einsatz beider Substanzen nach CT in der mobilen Stroke-Unit hinsichtlich einer sehr frühen zerebralen Reperfusion bei Ankunft in der Klinik. Fünf Kliniken in Melbourne nahmen daran teil. Insgesamt 104 Patientinnen und Patienten (≥18 Jahre), die innerhalb des Zeitfensters von 4,5 Stunden nach Symptombeginn von einer MSU erreicht wurden, konnten nach Bestätigung des ischämischen Schlaganfalls und bei Eignung für eine Thrombolyse eingeschlossen und analysiert werden. Sie erhielten bei Abfahrt in die Klinik entweder gewichtsadaptiert die Standarddosis von Alteplase (0,9 mg/kg, maximal 90 mg, 10 % als Bolus i.v. über eine Minute und nachfolgend 90 % als einstündige Infusion) oder Tenecteplase (0,25 mg/kg, maximal 25 mg, verabreicht als i.v.-Bolus über 10 Sekunden). Primäres Outcome war das Ausmaß beziehungsweise das Volumen der zerebralen Läsion bei Ankunft in der Klinik im Perfusions-CT. Als sekundäres Outcome wurden die Änderung der Symptomatik beziehungsweise die Änderung des NIHSS-Scores („National Institutes of Health Stroke Scale”) vom Eintreffen der MSU bis zur Klinikeinlieferung herangezogen sowie im Langzeitverlauf ein schlechtes funktionelles Outcome oder Tod innerhalb von 90 Tagen (mRS-Score 5-6). Das Sicherheits-Outcome beinhaltete außerdem symptomatische intrazerebrale Blutungen sowie Blutungen jeder Art innerhalb von 36 Stunden. Die Studie war zwar grundsätzlich eine Open-label-Studie, jedoch waren die Ärztinnen und Ärzte, die die Betroffenen in der Klinik übernahmen und den klinischen Verlauf nachverfolgten, nicht informiert, welches Medikament die Patientinnen und Patienten erhalten hatten. Im Ergebnis erhielten zwischen Juni 2019 und November 2021 von insgesamt 104 Betroffenen 55 Tenecteplase und 49 Alteplase. Das mediane Alter lag bei 73 Jahren (IQR 61–83), der mediane NIHSS-Score bei 8 (IQR 5–14), einem mittelschweren Schlaganfall entsprechend. Die mediane Dauer vom Behandlungsbeginn bis zum Eintreffen in der Klinik lag bei 47 Minuten. Bei der Ankunft in der Klinik wiesen Betroffene in der Tenecteplase-Gruppe signifikant geringere Perfusionsschäden auf als jene mit Alteplase (median 12 ml [IQR 3–28] vs. 35 ml [18–76]; p=0,003). Der mediane NIHSS-Score hatte sich bei Ankunft in der Klinik nach Tenecteplase auf 5 (3–11) verbessert gegenüber 6 (2–16) nach Alteplase. Nach 90 Tagen hatten noch 8/55 Personen (15 %), die Tenecteplase erhalten hatten, und 10/49 Personen (20 %) nach Alteplase ein ungünstiges Outcome (mRS-Score 5–6; adjustierte OR 0,7; statistisch aber nicht signifikant; p=0,45). In beiden Gruppen waren gab es je fünf Todesfälle (p=0,88). Schwere Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse traten in der Tenecteplase-Gruppe bei 5/55 (5 %) und in der Alteplase-Gruppe bei 8/49 (8 %) auf. Innerhalb von 36 Stunden gab es keine symptomatischen intrazerebralen Blutungen. „Die Studie zeigte nicht nur den Vorteil des Beginns der Lysetherapie bereits im Stroke Mobil, sondern legt erstmals auch eine Überlegenheit von Tenecteplase gegenüber Alteplase im Hinblick auf das klinische Ergebnis nahe“, kommentierte Prof. Heinrich Audebert, Leiter des mobilen Stroke Unit Projektes in Berlin, die Ergebnisse der Studie. „Die Substanz ist womöglich effektiver. Der Vorteil kann aber auch der Bolusgabe geschuldet sein. Das Medikament ist dadurch schneller vollständig im Blutkreislauf als bei Infusion des herkömmlichen Medikaments. Das zeigt, dass wir jede Möglichkeit ausschöpfen müssen, um die Zeit zwischen Symptombeginn und dem Zeitpunkt, zu dem die Gerinnsel-auflösenden Medikamente ihre Wirkung im Körper entfalten, zu minimieren.“
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