Neues Meldeportal sammelt Fälle von Abschiebungen aus stationärer Behandlung

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Anlässlich des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN (10. Dezember 1948) kritisiert die ärztliche Friedensorganisation IPPNW die Abschiebung von Geflüchteten aus stationärer Krankenhausbehandlung – und bringt ein Meldeportal an den Start.

„Menschen werden in Krankenhäusern und Kliniken aufgrund der Schwere ihrer Erkrankungen behandelt und sollten dort einen besonderen Schutz genießen“, betont die IPPNW in einer Mitteilung zum Launch des Meldeportals „Abschiebungen im Kontext stationärer Behandlung“, das zum Tag der Menschenrechte anlief. Auf dem Portal können anonym Fälle von Abschiebungen aus stationärer Behandlung gemeldet werden und medizinisches Personal in Kliniken erhält Information rund um ihre Rechte im Kontext von Abschiebungen.

Abschiebungen seien ein schwerer Eingriff in die medizinische Behandlung, so die IPPNW. Der Organisation zufolge stellen sie für die Betroffenen eine massive Belastung dar und würden den Heilungsprozess gefährden. Auch könnten sie zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation führen und insbesondere bei psychisch kranken oder traumatisierten Menschen schwerwiegende Folgen haben. Zusätzlich zu den Folgen für die Betroffenen würden Abschiebungen Mitpatienten und Beschäftigte in den Einrichtungen belasten.

Trotz dieser gravierenden Auswirkungen werden laut IPPNW immer wieder Abschiebungen von Geflüchteten aus stationärer Behandlung berichtet. Genaue Zahlen oder ein Register hierzu existieren jedoch nicht. Zwar würden die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen Abschiebungen aus Krankenhäusern während einer laufenden stationären Behandlung verbieten. In den meisten Bundesländern gebe es jedoch noch keine Regelungen. Der Deutsche Ärztetag hat mehrfach das Verbot von Abschiebungen aus stationärer Behandlung gefordert. Mit dem nun erreichbaren Portal soll eine Datengrundlage zur Abschiebung aus stationärer Behandlung geschaffen werden, um den Handlungsbedarf zu dokumentieren.

„Ärzt*innen sind im Rahmen ihrer Berufsausübung verpflichtet, Umstände abzuwenden, die zu einer gesundheitlichen Gefährdung ihrer Patient*innen führen können. Diese Grundsätze der ärztlichen Tätigkeit gelten nicht nur im klinischen Alltag, sondern müssen ganz besonders in Krisensituationen wie einer Abschiebung berücksichtigt werden“, erklärt die IPPNW. Die für die medizinische und psychotherapeutische Behandlung unabdingbare Vertrauensbeziehung zwischen Patientinnen und Patienten und ihren Behandlern werde durch eine ärztliche Mitwirkung – oder Unterlassung gebotenen Widerspruchs – bei einer Abschiebemaßnahme verletzt.

„Wir haben mehrfach erlebt, dass Klient*innen aus der Psychiatrie heraus abgeschoben wurden. Unser Eindruck ist, dass das medizinische Personal oft unvorbereitet mit der Situation konfrontiert und überfordert ist. Hier setzt die Meldestelle an: sie informiert über die Rechte, die medizinisches Personal in einer Situation der Abschiebung aus stationärer Behandlung hat. Zudem bietet sie eine Plattform, über die man vertraulich Fälle melden kann“, so Ulrike Schneck, Mitglied bei Refugio Stuttgart e.V. und IPPNW.

„Die Öffentlichkeit sollte mehr über Fälle von Abschiebungen aus stationärer Behandlung erfahren, denn hier wird das Recht auf körperlich-seelische Unversehrtheit verletzt“, kritisiert Dr. Carlotta Conrad, Mitglied im Vorstand der IPPNW. „Seitens der Ausländerbehörden und der aufsichtführenden Landesministerien gibt es bislang keinerlei transparente Angaben zur Häufigkeit oder den genauen Umständen solcher Fälle – und anscheinend auch kein Interesse daran, hier transparent zu sein.“