Neues Verfahren der Zellanalyse könnte im Kampf gegen Tuberkulose helfen

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Eine neues Verfahren, mit dem sich analysieren lässt, wie einzelne Immunzellen auf Tuberkuloseerreger reagieren, könnte den Weg für neue Impfstrategien gegen diese Erkrankung ebnen und Erkenntnisse zur Bekämpfung anderer Infektionskrankheiten liefern.

Die Technologie wurden im Labor von Dr. David Russell, William Kaplan Professor für Infektionsbiologie in der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie des College of Veterinary Medicine der Cornell University (USA) entwickelt. Bereits seit Jahren versuch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russells Labor zu entschlüsseln, wie Mycobacterium tuberculosis (Mtb) Wirtszellen infiziert und darin persistiert.

Die neueste Entwicklung aus dem Labor kombiniert zwei Analysewerkzeuge, die jeweils auf eine andere Seite der Pathogen-Wirt-Beziehung abzielen: „Reporter“-Mtb-Bakterien, die je nach Stress in ihrer Umgebung in verschiedenen Farben leuchten zum einen, Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq), die RNA-Transkripte einzelner Makrophagenzellen des Wirtes liefert, zum anderen.

„Zum ersten Mal überhaupt hat Dr. Davide Pisu aus meinem Labor diese beiden Ansätze miteinander kombiniert, um Mtb-infizierte Immunzellen aus einer In-vivo-Infektion zu analysieren“, berichtet Russell.

Nachdem es Mäuse mit den fluoreszierenden Reporter-Mtb-Bakterien infiziert hatte, konnte Russells Team einzelne Mtb-infizierte Makrophagen aus den Mäuselungen sammeln und ein Flow-Sorting durchführen. Die Forscher stellten dann fest, welche Makrophagen das Mtb-Wachstum förderten („glückliche“, rot leuchtende Bakterien) oder gestresste Mtb enthielten, von denen mit nur geringer Wahrscheinlichkei ein Wachstum zu erwarten war („unglückliche“, grün leuchtende Bakterien).

Als nächstes nahmen Forschenden die beiden sortierten, infizierten Makrophagenpopulationen und ließen sie durch eine Einzelzell-RNA-Sequenzierungsanalyse laufen, wodurch Transkriptionsprofile jeder einzelnen Wirtszelle in beiden Populationen erstellt wurden.

Als die Wissenschaftlerinne und Wissenschaftler die Einzelzellsequenzierungsdaten der Makrophagen mit dem Phänotyp der Reporter-Bakterien verglichen, fanden sie eine fast perfekte Eins-zu-eins-Korrelation zwischen dem Fitness-Status des Bakteriums und dem Transkriptionsprofil in der Wirtszelle. Makrophagen, die „unglückliche“, grüne Bakterien enthielten, exprimierten auch Gene, von denen bekannt ist, dass sie das Bakterienwachstum hemmen. Diejenigen hingegen „glücklichen“, roten Bakterien exprimierten Gene, von denen man weiß, dass sie das Bakterienwachstum fördern.

„Was uns total verblüfft hat, ist, wie gut es funktionierte“, sagt Russell. „Als Davide Pisu mir die Analyse zeigte, wäre ich fast vom Stuhl gefallen.“

Normalerweise sind Phänotypen und Transkriptionsprofile zwei Merkmale, die selten perfekt zusammenpassen – dies geschehe bei In-vivo-Daten fast nie, so die Forschenden.

Das nahezu perfekte Match-up offenbarte neue Abstufungen. „Unsere früheren Ergebnisse erwiesen sich im weitesten Sinne als korrekt: Demnach sind residente alveoläre Makrophagen (AM) permissiv, während die aus Blutmonozyten stammenden, rekrutierten Makrophagen (IM) eine Mtb-Infektion kontrollieren. Wir stellten jedoch nicht überraschend fest, dass dies eine zu starke Vereinfachung war“, erklärte Russell.

Selbst innerhalb dieser beiden verschiedenen Makrophagentypen gab es Variationen: Einige AM-Zellen kontrollierten das Mtb-Wachstum, während einige IM die bakterielle Expansion erlaubten. Das Team fand heraus, dass vergleichbare Untergruppen von Immunzellen sowohl in Lungenproben von Menschen als auch von Mäusen vorhanden waren.

Ein weiterer Schritt in der Studie bestand darin, zu untersuchen, ob die Reaktionen von AM- und IM-Zellen auf Mtb epigenetisch kontrolliert waren – was bedeutet, dass die Eigenschaften der Zellen darauf zurückzuführen sind, dass bestimmte Gene durch molekulare Schalter an- oder ausgeschaltet werden. Dies könnte erklären, warum zwei Gruppen von Makrophagen unterschiedlich reagieren. Nach dem Auslese der epigenetischen Landschaft einer Zelle fanden Forschenden heraus, dass dies der Fall war.

„Die Analyse zeigte, dass wenn diese Zellen Mtb oder dem Impfstamm – durch Infektion beziehungsweise Impfung – ausgesetzt waren, die epigenetische Programmierung einen großen Einfluss darauf hatte, ob ihre Reaktion zur Krankheitskontrolle oder zum Voranschreiten der Erkrankung führt“, berichtet Russell.

Ausgestattet mit diesen neuen Informationen möchte das Russell-Labor nun in der Folge neue Therapeutika identifizieren. „Wir werden mit dem Screening von Bibliotheken bekannter epigenetischer Inhibitoren beginnen, um zu sehen, welche nützlich sein könnten, um die Immunantwort zu modifizieren“, sagte Russell.

Sollten die Forschenden vielversprechende Verbindungen finden – solche, die Makrophagen zu einem Anti-Mtb-Verhalten bewegen – könnten sie möglicherweise in Kombination mit Impfstoffen verwendet werden, um das Immunsystem von Patientinnen und Patienten beim Schutz vor Tuberkulose zu unterstützen.

Das Ergebnis bildet der Arbeitsgruppe zufolge die Grundlage für aussagekräftigere Studien zur Wirkung von Krankheitserregern auf einzelne Zellen, die eine ganzheitliche Betrachtung des Systems ermöglichen.

„Wir haben hier eine Roadmap, die es uns ermöglicht, eine ganze Zellpopulation zu betrachten und zu sehen, wie sich eine einzelne Störung auf die Zellen dieser Population auswirkt“, sagte Russell. „Wir können die Wirksamkeit von Medikamenten bei einer In-vivo-Infektion testen, ohne vorgefasste Einschränkungen hinsichtlich der Wirkungsweise von Substanzen zu haben.“