Neues Verfahren zur Überwachung der Gehirnaktivität im All ausgezeichnet

Prof. Fiedler passt einem Probanden eine Haube zur Messung der Gehirnaktivität an. (Bild: © Dino Junski/ TU Ilmenau)

Ein Forschungsteam der TU Ilmenau entwickelt gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen und dem Medizintechnik-Unternehmen eemagine ein System zur Überwachung der Gehirnaktivität im All. Ziel ist es, die Belastungen von Astronauten während Raumfahrtmissionen besser zu erfassen und langfristig auch auf der Erde das Leben von Menschen mit Hirnerkrankungen oder Depressionen zu verbessern. Für diese Entwicklung erhielt das Projekt beim INNOspace Masters 2025 der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR den zweiten Platz.

Längere Aufenthalte unter extremen Umweltbedingungen – sei es in der Schwerelosigkeit des Weltalls oder in isolierten Forschungsstationen – stellen für den menschlichen Organismus eine erhebliche Belastung dar. Neben physiologischen Veränderungen können insbesondere psychische Beanspruchungen auftreten, die sich auch in der Gehirnfunktion widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund erforscht ein Team der TU Ilmenau gemeinsam mit internationalen Partnern – darunter die Université libre de Bruxelles, die McGovern Medical School in Houston, die Complutense Universidad Madrid, die Universität Duisburg-Essen sowie die eemagine Medical Imaging Solutions GmbH – Verfahren zur kontinuierlichen Überwachung der Gehirnaktivität. Ziel ist es, neurophysiologische Veränderungen frühzeitig zu erfassen und durch geeignete Gegenmaßnahmen das Risiko psychischer und neurologischer Beeinträchtigungen während Raumfahrtmissionen zu reduzieren.

Messungen der Gehirnaktivität im All – eine große Herausforderung

Das Team um den Ilmenauer Wissenschaftler Prof. Patrique Fiedler will eine besonders robuste, benutzerfreundliche Technologie entwickeln, die auch in Extremsituationen im All zuverlässig arbeitet. Denn die Belastungen für Mensch und Technik sind auf Weltraummissionen besonders hoch. Prototypen von EEG-Hauben, die die menschliche Gehirnfunktion messen, wurden bereits von der Universität Duisburg-Essen in Parabelflügen zur Simulation von Schwerelosigkeit, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt durchführte, getestet. Ähnliche, von der US-Weltraumagentur NASA geförderte Studien, führten auch die Complutense Universidad in Spanien und die McGovern Medical School in Houston/Texas durch. Prof. Fiedler ist zuversichtlich, ein zuverlässiges neues System für den Einsatz im Weltall entwickeln zu können: „Diese Studien zeigen, wie anspruchsvoll stabile Messungen im Weltall im Gegensatz zu einer Umgebung auf der Erde sind. Dennoch waren sie für unsere Forschung sehr vielversprechend.“

Intelligenter All…tagsbegleiter

Das Forschungsteam um Prof. Fiedler will ein ultraleichtes, komfortables System entwickeln, etwa ein Headset, das in Sekunden einsatzbereit ist und zuverlässig kontinuierlich hochwertige EEG-Daten aufzeichnet. Eingebaute Künstliche Intelligenz in Form von Signalanalyse erkennt automatisch mentale Zustände der Person und überwacht und optimiert laufend selbstständig die Signalqualität. Bei ihrer prämierten Innovation knüpfen die Forschungspartner an ein EEG-System mit Trockenelektroden an, das an der TU Ilmenau entwickelt wurde. Es kommt ohne die aufwändige Vorbereitung klassischer Elektroden aus und wird bereits in zahlreichen medizinischen Einrichtungen in Deutschland eingesetzt.

In Kombination mit Neurofeedback, einem computergestützten Gehirntraining, könnte das neue System künftig helfen, Leistungseinbußen der Menschen auf Weltallmissionen zu vermeiden und ihre geistige Erholung sogar schon vor Ort im All zu ermöglichen. „Unser Ziel ist es, mentale Belastungen sichtbar zu machen und Menschen zu helfen, besser mit Stress und Extremsituationen umzugehen – übrigens auch auf der Erde“, berichtet Fiedler.

Doppelter Nutzen – im All und im Alltag

Denn was für die Raumfahrt entwickelt wird, hat laut Fiedler auch großes Potenzial für den Alltag: „Die Überwachung der Gehirngesundheit ist ein Schlüsselthema – nicht nur für Langzeitmissionen im All, sondern auch für unsere Gesellschaft insgesamt“: von der Emotionserkennung über das Monitoring der Gesundheit des Gehirns bis zur Unterstützung bei psychischen Erkrankungen. „Gerade in Zeiten, in denen Burnout und Depressionen deutlich zunehmen, können verlässliche Instrumente, die die mentale Gesundheit kontinuierlich überwachen, eine große Hilfe sein.“