Neues Verständnis der Schmerzwahrnehmung23. Januar 2024 Prof. Nurcan Üçeyler und Christoph Erbacher im Labor. (Quelle: © Franziska Karl-Schöller / UKW) Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Würzburg zeigt, wie Hautzellen beim Menschen eng mit intraepidermalen Nervenfasern interagieren und so zur Wahrnehmung äußerer Reize beitragen. Die Ergebnisse könnten wichtige Implikationen für zukünftige Therapieansätze bei Neuropathien und neuropathischen Schmerzen haben. Bisher ging man davon aus, dass äußere Reize, die auf den Körper einwirken, ausschließlich von Nervenzellen des peripheren Nervensystems wahrgenommen und an das zentrale Nervensystem weitergeleitet werden. Neuere Forschungen, unter anderem am Uniklinikum Würzburg (UKW), legen jedoch nahe, dass auch bestimmte Hautzellen, sogenannte Keratinozyten, bei der Weiterleitung von Sinnesinformationen wie Schmerz, Wärme und Kälte, oder Berührung und Druck an das Gehirn eine Rolle spielen. Nurcan Üçeyler, Universitätsprofessorin und leitende Oberärztin in der Würzburger Neurologie, hat nun mit ihrer Arbeitsgruppe die Kontaktstellen zwischen Neuronen und Keratinozyten in der menschlichen Haut mit neuen bildgebenden Verfahren genauer untersucht und eine Verbindung zwischen Hautzellen und Nervenfasern bei der Kommunikation äußerer Reize bestätigt. Die Analysen, die federführend von Dr. Christoph Erbacher, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Erstautor der Studie, durchgeführt wurden, könnten wichtige Auswirkungen auf künftige Behandlungsansätze von Neuropathien und neuropathischen Schmerzen haben. Hautzellen umhüllen Nervenfasern und kommunizieren über Cx43-Cluster Die Forschenden untersuchten zunächst Hautproben von gesunden Probanden und stellten fest, dass in allen Proben intraepidermale Nervenfasern von Keratinozyten umhüllt waren. Zudem entdeckten sie sogenannte Connexin-43(Cx43)-Proteinkomplexe zwischen Keratinozyten und Nervenfasern. Cx43 spielt eine entscheidende Rolle bei der Zell-Zell-Kommunikation. Diese Ergebnisse validierte die Forschungsgruppe an Hautproben von gesunden Personen sowie von Patienten mit Small-Fiber-Neuropathie. Die Betroffenen leiden oft unter Schmerzen sowie brennenden und kribbelnden Missempfindungen, insbesondere in den Extremitäten. Manchmal kann auch ein Taubheitsgefühl in den betroffenen Bereichen dabei sein. Simulation des Zusammenspiels von Hautzellen und Nervenfasern „Um die Wechselwirkungen zwischen Nerven- und Hautzellen zu simulieren, haben wir schließlich ein 2D-Cokultur-Modell erstellt“, berichtet Erbacher. „Zunächst platzierten wir Neurone und Keratinozyten in getrennten Zellkulturkammern. Als wir die Barriere zwischen den beiden Kulturen entfernten, wuchsen die Neurite der Neuronen aktiv in Richtung der Keratinozyten und wurden von diesen ummantelt. An den Kontaktstellen fanden wir Cx43-Cluster und damit einen Hinweis auf Zell-Nervenfaser-Kommunikation. Einen weiteren Hinweis auf diese Zell-Nervenfaser-Signalübertragung konnten wir mithilfe der Kalzium-Ionen-Bildgebung aufzeigen.“ Umdenken in Bezug auf Interaktionen von neuronalen und nichtneuronalen Zellen „Unsere Studie eröffnet neue Perspektiven, um zu verstehen, wie externe Reize auch von Hautzellen kommuniziert werden. Sie regt auch dazu an, die Interaktionen zwischen neuronalen und nichtneuronalen Zellen zu überdenken und neu zu bewerten. Und schließlich rückt sie die Haut weiter in den Fokus des Interesses, zum Beispiel als mögliche neue Zielstruktur für den Einsatz von Schmerzmitteln oder neuroprotektiven Substanzen“, fasst Üçeyler zusammen. Um konkrete symptombezogene Fragestellungen zu beantworten, will das Würzburger Team die etablierten Methoden nun an größeren Patienten- und Kontrollkollektiven anwenden.
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