Neurologische Diagnosen sind nach COVID-19 seltener als nach Influenza

Bei rund fünf Prozent der Menschen, die an Influenza erkranken, kommt es innerhalb eines Jahres zu neurologischen Symptomen (Foto: © Monstar Studio – stock.adobe.com)

Bei einer Grippeinfektion ist die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb des darauffolgenden Jahres neurologische Störungen auftreten, höher als bei einer COVID-19-Infektion. Dies geht aus einer Studie hervor, die in der Online-Ausgabe von „Neurology“ veröffentlicht wurde.

„Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass unsere Studie nicht die Outcomes bei Long-COVID untersucht hat, und unsere Ergebnisse stehen nicht unbedingt im Widerspruch zu den Ergebnissen anderer Untersuchungen, die eine Zunahme neurologischer Symptome bei Menschen mit Long-COVID zeigen“, sagte Studienautor und Vorsitzender des Unterausschusses für Versorgungsforschung der American Academy of Neurology (AAN), Brian C. Callaghan von der University of Michigan Health in Ann Arbor, USA. „Die Ergebnisse entsprachen zwar nicht unseren Erwartungen, sind aber insofern beruhigend, als wir feststellten, dass ein Krankenhausaufenthalt mit COVID im Vergleich zu einem Krankenhausaufenthalt mit Influenza nicht zu mehr Behandlungen für allgemeine neurologische Erkrankungen führte.“

Für die Studie verglichen die Forscher 77.272 Personen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, mit der gleichen Anzahl von Personen, die mit Influenza stationär behandelt wurden. Anschließend untersuchten sie, wie viele dieser Personen im darauffolgenden Jahr wegen einer der sechs häufigsten neurologischen Erkrankungen – Migräne, Epilepsie, Schlaganfall, Neuropathie, Bewegungsstörungen und Demenz – medizinisch behandelt wurden.

Als Kontrollgruppe dienten Personen, die zu Beginn der Studie weder Influenza noch COVID-19 hatten, um festzustellen, bei wie vielen von ihnen im darauffolgenden Jahr eine neue neurologische Diagnose gestellt wurde.

Es zeigte sich, dass bei Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie im darauffolgenden Jahr wegen neurologischer Symptome behandelt werden mussten, geringer war als bei Personen mit einer Grippeinfektion (Migräne: 2,0 % vs. 3,2 %; Epilepsie: 1,6 % vs. 2,1 %; Neuropathie: 1,9 % vs. 3,6 %; Bewegungsstörungen: 1,5 % vs. 2,5 %; Schlaganfall: 2,0 % vs. 2,4 %; Demenz: 2,0 % vs. 2,3 %).

Nach Bereinigung um andere Faktoren, die sich auf die Notwendigkeit einer medizinischen Versorgung auswirken könnten, wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten, stellten die Forscher fest, dass Personen mit einer COVID-Infektion ein um 35 Prozent geringeres Risiko hatten, wegen Migräne behandelt zu werden, als Personen mit einer Grippe. Nach COVID war das Risiko, wegen Epilepsie behandelt zu werden,um 22 Prozent geringer, das Risiko für Neuropathie war um 44 Prozent geringer. Außerdem hatten COVID-Patienten ein um 36 Prozent geringeres Risiko für Bewegungsstörungen, ein um zehn Prozent geringeres Risiko für einen Schlaganfall und ein um sieben Prozent geringeres Risiko für eine Demenzerkrankung als Influenza-Patienten.

Der Anteil an Patienten, der im Jahr nach der Infektion eine neue neurologische Erkrankung entwickelte, betrug in der COVID-Gruppe 2,8 Prozent verglichen mit 4,9 Prozent in der Influenza-Gruppe.

„Da SARS-CoV-2 inzwischen die Mehrheit der Erwachsenen in den USA infiziert hat, ist es eine gute Nachricht, dass es sich in Bezug auf diese häufigen neurologischen Erkrankungen ähnlich verhält wie andere Atemwegsviren”, sagte Studienautor Adam de Havenon von der Yale University in New Haven. „Es bestand die Befürchtung, dass der bereits limitierte Zugang zur neurologischen Versorgung weiter schrumpfen würde, wenn wir einen dramatischen Anstieg des neurologischen Versorgungsbedarfs nach einer COVID-19-Infektion hätten.“

Als Limitation ihrer Studie geben die Autoren an, dass die von den Forschern verwendete Datenplattform keine landesweit repräsentative Stichprobe war, sodass die Ergebnisse nicht auf alle COVID-19-Überlebenden in den Vereinigten Staaten verallgemeinert werden könnten.