Neurone, die später gebildet werden, reifen schneller14. Juli 2025 Um im Gleichgewicht zu bleiben, braucht das Gehirn zwei Arten von Nervenzellen: Erregende Nervenzellen (in Weiß) und hemmende Nervenzellen (in Schwarz). Forschende haben herausgefunden, dass hemmende Nervenzellen, die später entstehen, schneller reifen. (Quelle: © MPI für biologische Intelligenz / Julia Kuhl) Forschende am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz haben die Entwicklung hemmender Nervenzellen in Mäusen untersucht und einen Mechanismus entdeckt, der das neuronale Gleichgewicht im Gehirn fördert. Das menschliche Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die in komplexen Netzwerken zusammenarbeiten. Damit unser Gehirn zuverlässig funktioniert, braucht es eine Balance zwischen zwei Gegenspielern: Erregende Nervenzellen leiten Signale weiter und regen die Aktivität an. Inhibitorische Nervenzellen begrenzen dagegen die Aktivität und verhindern, dass Nervenzellen zu stark oder unkontrolliert feuern. So wird für ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung gesorgt – eine Voraussetzung für eine stabile und gesunde Gehirnfunktion. Später geborene Nervenzellen reifen schneller Inhibitorische Nervenzellen entstehen während der Gehirnentwicklung durch Teilung von Vorläuferzellen. Forschende am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz haben nun anhand von Untersuchungen in Mäusen neue Erkenntnisse über ihre Entwicklung gewonnen: Zellen, die später im Entwicklungsprozess gebildet werden, reifen nach ihrer Geburt deutlich schneller als solche, die früher entstehen. „So können die später geborenen Nervenzellen womöglich ihren anfänglichen Zeitrückstand aufholen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sie ins Gehirnnetzwerk eingebaut werden, alle Nervenzellen auf einem ähnlichen Entwicklungsstand sind“, berichtet Christian Mayer, Forschungsgruppenleiter am Institut. „Das ist wichtig, weil ansonsten die früher entstandenen Nervenzellen durch ihre längere Entwicklungszeit eventuell mehr synaptische Verbindungen aufbauen können als die später geborenen Nervenzellen. Ohne einen Ausgleich würde das Netzwerk aus dem Gleichgewicht geraten und einzelne Zellen wären zu stark oder zu schwach mit anderen verknüpft.“ Genetische Steuerung und Krankheit Die Forschenden untersuchten auch, wie die beschleunigte Reifung der späten inhibitorischen Nervenzellen reguliert wird. Sie fanden heraus, welche Gene an diesem Prozess beteiligt sind und wie sie steuern, wann und wie stark die Zellen bestimmte Abschnitte ihrer Erbinformationen ablesen und nutzen. Die beschleunigte Entwicklung hängt dabei mit Veränderungen im Entwicklungspotenzial der Vorläuferzellen zusammen. Diese Veränderungen wiederum werden durch eine Umgestaltung der Chromatin-Landschaft ausgelöst – das bedeutet, dass der Zugang zu bestimmten Erbinformationen im Zellkern gezielt angepasst wird. Veränderungen in diesen Genen oder Mechanismen können schon während der Embryonalentwicklung die Entwicklungspfade beeinflussen, die möglicherweise zu Erkrankungen wie Autismus oder Epilepsie führen. Damit hilft die Studie, besser zu verstehen, wie Entwicklungsstörungen des Gehirns bereits im frühen, embryonalen Stadium entstehen können. Vergleich zwischen Menschen und anderen Tieren Den Forschenden zufolge unterstreichen die neuen Ergebnisse, wie wichtig es ist, dass hemmende Nervenzellen während der Gehirnentwicklung rechtzeitig ausgereift sind – egal zu welchem Zeitpunkt sie entstanden sind. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Zellen entwickeln und in Netzwerke eingebaut werden, wird durch präzise genetische Mechanismen gesteuert – ein Prozess, der als „Entwicklungszeit“ bezeichnet wird. Bereits bekannt ist, dass sich die Entwicklungszeit zwischen verschiedenen Säugetierarten deutlich unterscheiden kann. Besonders beim Menschen dauert die Ausreifung des Gehirns vergleichsweise lange. Durch dieses längere Zeitfenster kann das menschliche Gehirn womöglich komplexere Netzwerke ausbilden und Lernprozesse über einen größeren Zeitraum gestalten – was vielleicht seine enormen kognitiven Fähigkeiten erklärt. Die aktuellen Erkenntnisse lieferten somit neue Ansatzpunkte, um die Bedeutung der Entwicklungszeit bei der Gehirnreifung verschiedener Arten besser zu verstehen, sind die Forschenden überzeugt. Sie könnten aber auch ein neuer Ansatzpunkt sein, um die Ursachen von neurologischen Entwicklungsstörungen zu erforschen und eines Tages vielleicht dazu beitragen, neue Behandlungsmethoden zu entwickeln.
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