Nierenkrebs im Kindesalter: Höhere Zahl von DNA-Veränderungen als bisher angenommen

Foto: © MQ-Illustrations/stock.adobe.com

Forscher des Wellcome Trust Sanger Institute, Vereinigtes Königreich, haben herausgefunden, dass einige Krebsarten im Kindesalter eine wesentlich höhere Zahl von DNA-Veränderungen aufweisen als bisher angenommen.

Ein internationales Team konzentrierte sich auf eine Form von Nierenkrebs im Kindesalter, den sogenannten Wilms-Tumor, und sequenzierte mehrere Tumoren mit einer bisher nicht möglichen Auflösung. An der Zusammenarbeit beteiligten sich Forscher des Wellcome Sanger Institute der Universität Cambridge, des Princess Máxima Center for Pediatric Oncology, des Oncode Institute in den Niederlanden, des Great Ormond Street Hospitals und des Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust.

Die Forscher entdeckten deutlich mehr genetische Veränderungen pro Krebszelle als erwartet, insgesamt Millionen von Veränderungen pro Tumor. Dies deutet darauf hin, dass einige Tumore im Kindesalter für Behandlungen wie Immuntherapien in Frage kommen könnten. Die neuen Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Personalisiertere Therapien möglich

In der Studie beschreibt das Team zudem eine einzelne, spontane genetische Veränderung, die einen seltenen Wilms-Tumor verursacht, mit dem Kinder geboren werden. Diese Veränderung tritt bereits früh während der Entwicklung im Mutterleib auf. Die Forscher fanden heraus, dass diese Tumoren unter dem Mikroskop ein besonderes Erscheinungsbild und ein besonderes genetisches Profil aufweisen. Dies deutet laut den Autoren darauf hin, dass es in Zukunft möglich sein könnte, personalisierte Therapien und maßgeschneiderte Behandlungspläne für Patienten mit dieser genetischen Veränderung zu entwickeln.

Diese Forschung stellt die weit verbreitete Vorstellung in Frage, dass Krebserkrankungen im Kindesalter nur eine sehr geringe Anzahl genetischer Veränderungen aufweisen, und legt stattdessen nahe, dass es wirksame Behandlungen für Erwachsene geben könnte, die künftig an Tumore im Kindesalter angepasst werden könnten.

Der Wilms-Tumor ist eine Nierenkrebsart, die vor allem Kinder unter fünf Jahren betrifft. In Großbritannien werden jährlich etwa 85 Kinder mit einem Wilms-Tumor diagnostiziert. Bisher ging man davon aus, dass Krebstumoren im Kindesalter, wie der Wilms-Tumor, nur wenige genetische Veränderungen, auch genetische Varianten genannt, aufweisen.

Nanorate- und Gesamtgenom-Sequenzierung

Um zu untersuchen, wie und warum diese Tumoren so früh im Leben auftreten, setzten das Team Genomsequenzierungstechniken ein, um mehr darüber zu erfahren, wie und wann diese genetischen Veränderungen auftreten. Mithilfe von Methoden der Massensequenzierung des gesamten Genoms können Forscher genetische Veränderungen identifizieren, die von allen Zellen im Tumor gemeinsam sind. Während dies bei Tumoren im Erwachsenenalter gut funktioniert, da die Zellen mehr Zeit zur Entwicklung hatten, weisen Tumoren im Kindesalter weniger gemeinsame genetische Veränderungen auf. Dadurch werden die vielen Mutationen, die nicht von allen Zellen gemeinsam sind, übersehen.

Um dieses Problem zu lösen, setzte das Team zwei Techniken ein: die Nanorate-Sequenzierung, auch bekannt als Nanoseq, und die Gesamtgenomsequenzierung von Organoiden aus Einzelzellen, um Nierentumoren mit deutlich höherer Auflösung zu untersuchen. Diese Methoden ermöglichen es Wissenschaftlern, genetische Veränderungen zu identifizieren, die möglicherweise nur in einer einzigen Krebszelle vorhanden sind. Das Team nutzte diese Methoden, um Wilms-Tumorproben von vier Kindern im Alter von bis zu sechs Monaten genetisch zu sequenzieren.

Sie fanden heraus, dass eine einzelne Krebszelle zusätzlich zu den bereits durch Massengenomsequenzierung identifizierten 72 bis 111 genetische Veränderungen aufwies. Das bedeutet, dass, wenn man die Gesamtzahl der Tumorzellen berücksichtigt, die Anzahl pro Tumor höchstwahrscheinlich Millionen genetischer Veränderungen beträgt und nicht die bisher angenommene geringe Anzahl.

Die Forscher vermuten, dass Tumore angesichts dieser Anzahl möglicher genetischer Veränderungen wahrscheinlich schneller resistent gegen Behandlungen werden oder dass manche Medikamente gar nicht wirken. Diese Entdeckung könnte jedoch auch bedeuten, dass Tumore im Kindesalter besser für bestehende Behandlungen geeignet sind, die derzeit bei Tumoren im Erwachsenenalter eingesetzt werden, wie beispielsweise Immuntherapien.

Veränderung im FOXR2-Gen beobachtet

Das Team verfolgte außerdem die Entwicklung der Tumoren bei drei Kindern und entdeckte eine neue Mutation, die den Wilms-Tumor verursacht. Diese einzelne Veränderung im FOXR2-Gen trat während der Nierenentwicklung im Mutterleib auf und ist mit einem bestimmten Erscheinungsbild des Tumors unter dem Mikroskop und spezifischen RNA-Veränderungen verbunden. Die Forscher vermuten, dass dies zur Identifizierung dieser Tumoren genutzt werden könnte und dass es eines Tages möglich sein könnte, eine spezifische, personalisierte Behandlung für bestimmte genetische Profile des Wilms-Tumors zu entwickeln.