NIPS: Neue Behandlung bei Bauchfellmetastasen

Über einen Port wird das Chemotherapeutikum in den Bauchraum gebracht. Die neue Behandlungsmethode etabliert haben Prof. Moritz Schmelzle, Prof. Beate Rau, Dr. Franziska Köhler, PD Dr. Anna Saborowski und PD Dr. Thomas Wirth (v.l.). Foto: ©Karin Kaiser/MHH.

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) etabliert als eine der ersten Kliniken in Deutschland die neoadjuvante intraperitoneale Systemtherapie (NIPS), bei der Chemotherapeutika über ein Portsystem im Bauchraum verabreicht werden.

Patienten mit Tumoren auf dem Bauchfell haben kaum Aussicht auf Heilung, denn normalerweise handelt es sich dabei um Metastasen eines Tumors in einem anderen Bauchorgan, beispielsweise im Magen. Wenn Bauchfellmetastasen diagnostiziert werden, ist die Krebserkrankung oft schon weit fortgeschritten und die Behandlung schwierig. Ein MHH-Team, bestehend aus Fachleuten der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie sowie der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie, bietet jetzt mit der NIPS eine neue Behandlungsmethode an.

Dabei wird eine herkömmliche Chemotherapie über die Vene mit einer gezielten Chemotherapie im Bauchraum kombiniert. Das Ziel: Der Ausgangstumor und die Metastasen sollen sich verkleinern, um sie anschließend per Operation entfernen zu können. Die neue Therapie ist für bestimmte palliative Patienten mit Magenkrebs und Metastasen im Bauchfell gedacht. Für sie besteht die Hoffnung auf eine deutlich längere Überlebenszeit.

Bisher keine guten Therapien

Magenkrebs ist eines der zehn häufigsten Krebsleiden. In Deutschland erkranken daran rund 14.500 Menschen pro Jahr. Bei mehr als jeder dritten betroffenen Person treten im fortgeschrittenen Stadium peritoneale Metastasen auf.. „Im Gegensatz zu Metastasen in anderen Organen, beispielsweise in der Leber oder der Lunge, gibt es für Metastasen im Bauchfell bisher keine guten Therapiemöglichkeiten“, erklärt Oberarzt PD Dr. Thomas Wirth von der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie. Die Standardtherapie für diese Patientinnen und Patienten ist eine palliative systemische Chemotherapie mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von sechs bis zwölf Monaten.

Chirurgische Möglichkeiten nur in wenigen Fällen

Die operativen Möglichkeiten sind ebenfalls sehr begrenzt, zumal sich dafür nur wenige Patienten eignen. Eine davon ist die Zytoreduktion mit HIPEC (Hyperthermic Intraperitoneal Chemotherapy). „Zytoreduktion heißt, dass zunächst das Magenkarzinom und auch die Bauchfellmetastasen, operativ entfernt werden. Direkt danach wird der Bauchraum mit einem erwärmten Chemotherapeutikum gespült, um versprengte Tumorzellen abzutöten und die Zeit bis zum Wiederauftreten von neuen Tumoren hinauszuzögern“, erläutert Prof. Beate Rau, Bereichsleiterin Spezielle onkologische Chirurgie an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie.

Die zweite Möglichkeit heißt PIPAC (Pressurized Intraperitoneal Aerosolized Chemotherapy). „Bei dieser Methode wird laparoskopisch, also durch zwei kleine Hautschnitte, eine Chemotherapie mit einem Druckverfahren – wie Haarspray – in die Bauchhöhle und auf die Metastasen gesprüht“, verdeutlicht Rau. Die PIPAC ergänzt die systemische Chemotherapie und wird im Wechsel mit dieser verabreicht. Beide Methoden − Zytoreduktion mit HIPEC und PIPAC − erfordern einen stationären Aufenthalt.

Ambulante und zeitgleiche Anwendung

Bei der neuen Behandlungsmethode NIPS handelt es sich um eine Kombination aus einer systemischen Chemotherapie, die über die Vene verabreicht wird und im gesamten Körper die Krebszellen bekämpft, und einer gezielten Chemotherapie, die speziell auf die Bauchfellmetastasen ausgerichtet ist. Die Besonderheit: Um die Tumore im Bauchfell erreichen zu können, wird ein Port unter der Haut im Bauch implantiert.

„Das System besteht aus einer kleinen Kammer mit einer Membran und einem daran angeschlossenen Schlauch, der in die Bauchhöhle führt“, erklärt Rau. Über diesen Port kann das Chemotherapeutikum dann verabreicht werden und sich im Bauchraum verteilen. Das Verfahren hat viele Vorteile.

„Wir können es ambulant und zeitgleich mit der systemischen Chemotherapie durchführen“, erläutert Wirth. Die Patienten müssen also nicht stationär aufgenommen werden und können beide Behandlungen in einem Durchgang hinter sich bringen. Ein weiterer Pluspunkt: Es muss sich nicht um dasselbe Chemotherapeutikum handeln, die Medikamente können für beide Anwendungen individuell kombiniert werden.

Erste Patienten in Behandlung

Die neue Behandlungsmethode NIPS etablieren die beiden MHH-Kliniken gemeinsam. Zu dem Team gehören neben Rau und Wirth auch die Gastroenterologin PD Dr. Anna Saborowski und die Chirurgin Dr. Franziska Köhler. Die MHH ist eine der ersten Kliniken in Deutschland, die das Verfahren umsetzen.

Das Team hat bereits die ersten drei Patienten in Behandlung. Sie bekommen einmal pro Woche über einen Zeitraum von insgesamt neun Wochen die kombinierte Chemotherapie mit NIPS. Danach schauen die Fachleute, ob die Therapie erfolgreich war und sich das Magenkarzinom und die Bauchfellmetastasen so sehr verkleinert haben, dass sie operativ entfernt werden können.

Mit Blick auf eine japanische Studie ist PD Dr. Wirth optimistisch. „Die Kolleginnen und Kollegen in Japan erzielen mit NIPS wirklich sehr beachtliche Erfolge, teilweise profitieren die Betroffenen von einer Lebensverlängerung von mehreren Jahren.“

Mit NIPS erweitert das Team das Therapiespektrum und hofft, der palliativen Patientengruppe mit Magenkrebs und Absiedlungen im Bauchfell neue Chancen bieten zu können. „NIPS ist ein zusätzliches palliatives Therapieverfahren mit viel Potenzial“, konstatiert Rau. Aber auch für diese Behandlungsmethode müssen die Patienten gut ausgewählt werden, sie ist nicht für alle geeignet. Geplant ist, pro Jahr etwa zehn Erkrankte auf diese Weise zu therapieren.