Notfallreform: Nur „einige gute Ansätze“8. November 2024 Foto: Ralf/stock.adobe.com Das Ende der Regierungskoalition stellt auch die Notfallreform infrage – aber auch die nächste Regierung kommt an dem Thema nicht vorbei. Fachverbände begrüßen die Zielsetzung des bestehenden Entwurfs, die Ausgestaltung wird unterschiedlich bewertet. Überfüllt und unterfinanziert – die Notaufnahmen in deutschen Kliniken stehen unter Druck. Eine Reform der Notfallversorgung mit dem Ziel einer besseren Patientensteuerung in der Akut- und Notfallversorgung soll Abhilfe schaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde bereits im Bundestag und dessen Gesundheitsausschuss diskutiert – aber ob die Reform kommt, ist nach dem Bruch der Ampel-Koalition fraglich. Unstrittig ist, dass sich auch der nächste Gesundheitsminister an einer Reform der Notfallversorgung nicht vorbeikommt. Zu dieser haben diverse Verbände und Player des Gesundheitssystems nicht nur eine Meinung, sondern auch Verbesserungsvorschläge. „Über einige gute Ansätze wie etwa die Weiterentwicklung der Strukturen rund um die Nummer 116117 in eine Akutleitstelle und eine Terminservicestelle kommt der Gesetzentwurf nicht hinaus. Sein Ziel, die Notaufnahmen zu entlasten und die Patienten in die für sie passende Versorgungsebene zu steuern, verfehlt er völlig“, konstatierten beispielsweise die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner. Durch die im aktuellen Entwurf vorgesehene Öffnung von Notaufnahmen an den sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern während der Praxisöffnungszeiten entstehe ein ungeordnetes Nebeneinander mehrerer Anlaufstellen und die knappe Ressource Artztzeit werde durch solche Parallelstrukturen weiter ausgedünnt, so die Kritik der KBV-Vertreter. Zudem würde die Ausweitung des Notdienstes auf eine 24/7-Akutversorgung zusätzlich belastet. Gassen, Hofmeister und Steiner fragten sich auch, woher die dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen kommen sollen. Folgerichtig fordert der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschland e. V. (SpiFa) die „vollumfängliche Finanzierung der Bereitschaftsstrukturen der KVen durch die Krankenkassen“. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) unterstützt zwar grundsätzlich, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) „konkretisiert werden soll“. Allerdings mahnt der Verband auch einen „Ausbau der bestehenden Strukturen mit Augenmaß“ an, die KVen sollten nicht vor unlösbare Personalprobleme gestellt werden. Für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) steht fest, dass überfüllte Notaufnahmen an den Kliniken nur entlastet werden können, wenn „die vorgelagerten Versorgungsangebote durch die KVen auch tatsächlich rund um die Uhr den hilfesuchenden Patientinnen und Patienten angeboten werden“, wie der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß in einer Mitteilung betonte. Dazu zähle auch die konsequente und praxistaugliche Vernetzung der Rufnummern 112 und 116117. INZ: Wer soll die Planungshoheit haben? „Klärungsbedarf“ sieht die DKG bei der Planung der INZ: Die Planungshoheit über deren Standorte sowie die letzte Entscheidung müssten bei den Ländern liegen, forderte Gaß. Schließlich seien diese für die Krankenhausplanung verantwortlich. Die DKG erwartet vom Gesetzgeber auch, dass dieser eine „ausreichende und angemessene Finanzierung der reformierten Notfallversorgung“ sicherstellt. Das seien die Refinanzierung der Kosten der ambulanten Versorgung im Krankenhaus, inklusive des digitalen Ersteinschätzungsverfahrens. sowie die Kosten für Einrichtung und Betrieb der INZ. Gerade zu den INZ hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) viel zu sagen, der zwar die Zielsetzung des Gesetzentwurfs „uneingeschränkt begrüßt“, andere Regelungen aber nicht. Hauptkritikpunkt des G-BA ist, dass zentrale Strukturanforderungen – etwa Anforderungen an das Personal oder die Voraussetzung für die Weiterleitung an Kooperationspraxen nicht bundesweit einheitlich geregelt werden sollen. „Damit wird die Zielstellung einer bundesweit einheitlichen Sicherstellung der Notfallversorgung konterkariert“, hebt der G-BA in einer Stellungnahme hervor. Die hauptamtlichen unparteiischen G-BA-Mitglieder plädieren dafür, dass der Ausschuss zentrale Vorgaben auf Bundesebene festlegt, die dann als Rahmen für Entscheidungen der Landesausschüsse dienen sollen. Auch mit Blick auf Kooperationsverträge für einzelne INZ sollten diese Vorgaben dann verpflichtend sein. Notfallversorgung nicht weiter ausdünnen Ein weiterer Knackpunkt ist die Frage, welche Krankenhäuser künftig an der Notfallversorgung teilnehmen sollen und diese auch vergütet bekommen: Der Marburger Bund spricht sich dafür aus, dass künftig auch Krankenhausstandorte mit zentraler Notaufnahme gemäß der G-BA-Stufeneinteilungen Leistungen ohne INZ in der Notfallversorgung erbringen und abrechnen können. Die Notfallversorgung dürfe nicht weiter ausgedünnt werden, so die Forderung der 1. Vorsitzenden des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna: „Das gilt insbesondere für die ländlich geprägten Regionen.“ Der SpiFa wiederum forderte das genaue Gegenteil, nämlich die Schließung von Notaufnahmen ohne INZ-Struktur. Der Verband ist auch gegen eine grundsätzliche Leitung und Verantwortung der einzurichtenden Ersteinschätzungsstelle durch die Krankenhäuser. Eine solche Regelung könnte dazu führen, dass Patienten nur unzureichend in die KV-Notdienstpraxen beziehungsweise kooperierende vertragsärztliche Praxen gelenkt werden, befürchtet der SpiFa. Einschätzungen orientierten sich dann womöglich nicht am medizinischen Bedarf, sondern würden ökonomisch getroffen: „Zu einer effektiven Patientensteuerung gehört auch, jene Trampelpfade konsequent zu beseitigen, die Krankenhausträger zuweilen zur Befüllung ihrer Betten nutzen“, so der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Ein weiterer Streitpunkt ist die Einbettung einer Neustrukturierung des Rettungsdienstes in die Notfallreform. Während zum Beispiel der GKV-Spitzenverband oder der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst e. V. die entsprechende Änderung des Gesetzesentwurfes begrüßen, lehnt die DKG diese Idee ab. So warnte deren Vorstandsvorsitzender Gaß, dass die Einbeziehung des Rettungsdienstes in die Reform die Akzeptanz des Gesetzes durch die Länder gefährde, da diese für den Rettungsdienst zuständig sind. Besser sollte gemeinsam mit den Ländern ein gesondertes Gesetz entwickelt werden. „So lässt sich gewährleisten, dass die wichtige Notfallreform zeitnah umgesetzt werden kann“, betonte Gaß. (ja)
Mehr erfahren zu: "Zwei große Schritte zum aufrechten Gang des Menschen" Zwei große Schritte zum aufrechten Gang des Menschen Eine neue internationale Studie konnte nun die Schritte entschlüsseln, die das menschliche Becken im Laufe von Millionen von Jahren so veränderten, dass zweibeiniges Gehen möglich wurde.
Mehr erfahren zu: "Genetische Schwachstelle bei Synovialsarkomen erkannt" Genetische Schwachstelle bei Synovialsarkomen erkannt Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass der Einsatz eines kleinen Moleküls als Blocker zur Hemmung des SUMO2-Proteins eine erfolgreiche Strategie gegen Synovialsarkome sein könnte.
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]