Nuklearmediziner: Myokardszintigraphie ermöglicht Diagnose einer INOCA24. November 2022 Foto: © Werner/stock.adobe.com Aktuellen Studie zufolge dauert es oft mehrere Jahre, bis eine INOCA (Ischemia with No Obstructive Coronary Arteries) korrekt diagnostiziert wird. Bei unklaren Herzbeschwerden sollte daher deutlich häufiger eine Myokardszintigraphie veranlasst werden, fordert der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) in einer aktuellen Mitteilung. Der BDN weist darauf hin, dass viele Betroffene einer INOCA eine diagnostische Odyssee durchlaufen: Die Blutversorgung des Herzmuskels ist eingeschränkt, was zu den typischen Symptomen wie Brustenge, Brustschmerz und Atemnot bei körperlicher Belastung führt. Bei einer Herzkatheteruntersuchung zeigen sich jedoch keine Engstellen in den großen Herzkranzgefäßen – und damit rücke das Herz meist bereits aus dem diagnostischen Fokus. In einer aktuellen Befragungsstudie von INOCA International, einem Zusammenschluss von Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten zur Förderung der Erforschung und der Bekanntheit der INOCA, gaben fast vier Fünftel der Betroffenen an, ihre Beschwerden seien zunächst als nichtkardiologisch bedingt eingestuft worden. Stattdessen seien aufwendige Untersuchungen anderer Organe veranlasst worden. „Häufig wird etwa wegen des Verdachts auf eine ösophageale Refluxerkrankung eine Magenspiegelung durchgeführt“, sagt BDN-Experte Prof. Sigmund Silber. Auf diese Weise erhielt rund ein Drittel der Betroffenen die Diagnose erst nach mindestens drei Jahren, in Einzelfällen vergingen sogar bis zu zehn Jahre. „Dabei steht mit der Myokardszintigraphie ein aussagekräftiges Verfahren zur Verfügung, mit dem sich eine INOCA zuverlässig diagnostizieren lässt“, fügt der niedergelassene Kardiologe aus München mit Fachkunde Nuklearkardiologie hinzu. Die Myokardszintigraphie findet in der Regel nach Belastung auf dem Ergometer statt, um die Durchblutung des Herzmuskels zu steigern. Für die Untersuchung wird dann eine gering strahlende, radioaktive Substanz in die Armvene eingeleitet, die sich mit dem Blutfluss im Herzmuskel anreichert und mithilfe einer Gammakamera hochaufgelöst detektiert werden kann. „Mit der nuklearmedizinischen Bildgebung können Durchblutungsstörungen im Herzmuskel sehr viel genauer nachgewiesen und lokalisiert werden als mit einer Herzkatheteruntersuchung“, sagt Prof. Detlef Moka, Vorsitzender des BDN, und verweist auf eine niederländische Studie, die bei 30 Prozent der aufgrund des unauffälligen Herzkatheters zunächst als herzgesund geltenden Patientinnen und Patienten mithilfe der Myokardszintigraphie eine INOCA nachweisen konnte. Die Stärke der Myokardszintigraphie liegt darin, dass sie nicht nur die Durchlässigkeit der großen Gefäße untersucht, sondern sichtbar macht, wie viel Blut tatsächlich im Herzmuskel ankommt. „Engstellen in den großen Koronararterien, die in der Herzkatheteruntersuchung festgestellt werden, sind nur für rund 30 Prozent der Durchblutungsstörungen des Herzmuskels verantwortlich“, erläutert Moka. Der weitaus größere Teil sei durch Probleme in den kleineren und kleinsten Verästelungen bedingt. Bei der INOCA ist die Funktion dieser kleinen Blutgefäße eingeschränkt – wobei der Krankheitsmechanismus noch weitgehend unklar ist. „Vermutlich sind die Ursachen vielfältig“, sagt der Münchener Kardiologe Silber. Infrage kommen etwa eine vorübergehende, krampfartige Verengung der kleinsten Herzkranzgefäße, Entzündungen, Störungen der Blutgerinnung oder eine mangelnde Fähigkeit der Gefäße, auf einen erhöhten Blutbedarf mit einer Weitstellung zu reagieren und so den Blutfluss zum Herzmuskel zu steigern. Entsprechend profitieren die Patientinnen und Patienten – Frauen sind mehr als doppelt so oft von einer INOCA betroffen wie Männer – nicht alle gleichermaßen von medikamentösen Therapieansätzen. Medikamente wie Betablocker oder gefäßerweiternde Wirkstoffe erleichtern zwar vielen Patientinnen und Patienten den Alltag, wirken aber nicht bei allen gleich gut – auch dies ist ein Zeichen für die Heterogenität der Erkrankung. „Ein fester Bestandteil der Therapie ist es auch, Lebensstilfaktoren zu adressieren“, sagt Silber. So werde den Patientinnen und Patienten zu einer gesunden Ernährung, ausreichend Bewegung, Rauchverzicht und bei Übergewicht zu einer Gewichtsreduktion geraten. Auf keinen Fall, betont Silber, solle eine INOCA unbehandelt bleiben – allein schon wegen des gesteigerten Infarkt- und Schlaganfallrisikos. Dass bis zur Diagnose noch immer so viel Zeit verstreiche, sei auch deshalb nicht hinnehmbar, weil ein erheblicher Leidensdruck mit vielen ärztlichen Konsultationen, unnötigen Untersuchungen und eingeschränkter Lebensqualität bestehe. Wie stark die Erkrankung die Betroffenen belastet, führt die INOCA-International-Studie vor Augen: 80 Prozent der Befragten gaben an, die Erkrankung beeinträchtige ihr Sozialleben, 70 Prozent sahen ihre psychische Gesundheit beeinträchtigt, und drei Viertel hatten aufgrund von INOCA ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar ganz aufgehört zu arbeiten.
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