Nur ein „erster Schritt“ für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung

Leere Schubladen in der Apotheke? Ein vom BMG geplantes Gesetz soll Abhilfe schaffen. Nach Ansicht von Industrie und Apotheken lässt der Referentenentwurf aber zu wünschen übrig. Foto: Anke Thomass/stock.adobe.com

Der AOK-Bundesverband bewertet das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln als „ersten Schritt für mehr Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln“. Vertreter der Pharmaindustrie und Apothekerverband üben stärkere Kritik.

„Grundsätzlich begrüßen wir den vorliegenden Referentenentwurf, weil damit ein Teil unserer langjährigen Forderungen aufgegriffen wurde und ein erster Schritt für mehr Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln gemacht wird“, kommentierte Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG). Die Verlängerung der erweiterten Bevorratungspflicht für Krankenhäuser auf acht Wochen könne zur Steigerung der Reserven im Arzneimittelmarkt beitragen. Dies gelte auch für die verpflichtende Lagerhaltung bei Rabattverträgen durch die Pharmaindustrie, so Reimann weiter. Sie hält es allerdings für wünschenswert, die Lagerhaltungspflicht auch auf Arzneistoffe auszuweiten, für die keine Rabattverträge vereinbart worden sind – auch diese Wirkstoffe seien versorgungsrelevant. Reimann begrüßte auch, dass Rabattverträge im vorliegenden Referentenentwurf als versorgungsstärkendes Instrument anerkannt werden und warnte: „Sie dürfen in ihrer Wirksamkeit allerdings nicht beschädigt werden.“

Für die AOK-Vorstandvorsitzende ist der Entwurf zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein erster Schritt. Sie kritisierte: „Grundsätzlich erschließt sich nicht, wie insbesondere ökonomische Ansatzpunkte zur Lösung von Lieferengpässen beitragen sollen. Denn die Erhöhung von Festbetragsgrenzen und Preisen wird die globalen Probleme mit Lieferengpässen nicht lösen.“ So sei zu befürchten, dass die Regelungen zur nationalen Preisfestsetzung von Reserveantibiotika nicht zur Entwicklung neuer Antibiotika beitragen. Das Forschungsfeld sei für viele pharmazeutische Unternehmer aus verschiedenen Gründen unattraktiv.

Für Andreas Burkhardt, General Manager des Generika-Herstellers Teva Deutschland und Österreich steht fest, dass das beabsichtigte Gesetz in seiner jetzigen Form „die bestehenden Probleme nicht lösen“ wird. Die Missstände endlich anzugehen sei ein wichtiger und längst überfälliger Schritt, aber Burkhardt forderte bei der Reformierung mehr Entschlossenheit und Konsequenz. Das Preissystem müsse grundlegend und über alle Medikamentengruppen hinweg angepasst werden. „Der aktuelle Gesetzesentwurf greift viel zu kurz und wird nicht verhindern, dass sich Pharmaunternehmen weiterhin aus der Versorgung zurückziehen“, so Burkhardt.

Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Dr. Hans-Georg Feldmeier, fragte als Reaktion auf den Referentenentwurf: „Warum setzt man nur in einzelnen Bereichen an, wo die Probleme doch die gesamte Grundversorgung betreffen?“ Mit Blick auf die gesamte Versorgung sei es „völlig unzureichend“ den Spardruck nur bei den Kinderarzneimitteln wegzunehmen. „Jetzt braucht es ein Umdenken bei den Preisen der Arzneimittel der Grundversorgung, und zwar nicht nur in einzelnen Versorgungsbereichen, sondern in der Breite“, so Feldmeier weiter. Der BPI stehe für eine konstruktive Diskussion jederzeit zur Verfügung.

Auch bei den Apotheken regt sich Widerstand gegen das geplante Gesetz. In einem offene Brief zeigte sich ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening enttäuscht über den Referentenentwurf. Weiter heißt es: „Das Papier lässt mich sowohl in meiner Rolle als ABDA-Präsidentin als auch als Inhaberin einer vor Ort versorgenden Apotheke fassungslos zurück.“ Für Overwiening steht der Entwurf „in deutlichem Widerspruch zu dem im Koalitionsvertrag beschworenen Vorhaben, die Apotheken vor Ort zu stärken“.

In einem Statement forderte Overwiening, zum einen die erleichterten, bewährten Austauschregeln für Arzneimittel uneingeschränkt aufrechtzuerhalten und zum anderen einen finanziellen Engpass-Ausgleich für da Management der Lieferengpässe. Die ABDA-Präsidentin betonte: „Die Apothekerinnen und Apotheker für die aufwändige Problemlösung mit 50 Cent abspeisen zu wollen, ist eine Herabwürdigung der Leistungen unserer Apothekenteams. Dagegen werden wir uns wehren.“ (ja)