NVL Chronische KHK: DEGAM kritisiert Rückzug von DGK, DGIM und DGPR

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Der Streit um die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische KHK geht in die zweite Runde. Nachdem drei wichtige Fachgesellschaften dieser ihre Unterstützung entzogen haben, zeigt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Unverständnis – aber auch Gesprächsbereitschaft.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) haben die im August veröffentlichte NVL Chronische KHK nicht konsentiert (wir berichteten). Ihre Begründung lieferten sie in einem im März veröffentlichten Positionspapier: An zahlreichen Stellen würde sich die Studienlage in den Empfehlungen nur unzulänglich widerspiegeln. Beispielsweise werde Luftnot als entscheidendes KHK-Symptom in der NVL nicht berücksichtigt und in der Statintherapie an der Fest-Dosis-Strategie festgehalten. Anstatt dem Patientenwohl zu dienen, könnte die NVL in ihrer aktuellen Form die Patientenversorgung verschlechtern, so die Sorge von DGK, DGIM und DGPR.

DEGAM übt Kritik an der Kritik

Nun reagierte die DEGAM auf die Kritik der Fachgesellschaften an der NVL Chronische KHK. Unterstützt wird die DEGAM von der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN), der Deutschen Röntgengesellschaft (DGR), der Deutschen Gesellschaft für Verhaltensmedizin und Verhaltensmodifikation (DGVM) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), die ebenfalls an der Erstellung der NVL beteiligt waren. In einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme heißt es: „Es ist sehr bedauerlich, dass DGK, DGIM und DGPR gemeinsam entschieden haben, sich nach einem sehr aufwändigen Prozess der NVL-Erstellung aus der Mitherausgeberschaft zurückzuziehen – zumal DGK, DGIM und DGPR sämtliche Empfehlungen der NVL KHK über Jahre mit konsentiert haben.“

Die Fachgesellschaften um die DEGAM weisen zwar sehr allgemein darauf hin, dass für alle NVL höchste Qualitätsstandards gelten würden und die Empfehlungen mit wissenschaftlicher Evidenz unterlegt sein müssten. Auf die konkreten Kritikpunkte von DGK, DGIM und DGPR gehen sie jedoch nicht ein. Man sei irritiert von dem geäußerten Vorwurf, die NVL KHK widerspreche wissenschaftlicher Evidenz, erklärt die DEGAM.

Gleichzeitig wird DGK, DGIM und DGPR vorgeworfen, ihre Kritik im Rahmen der NVL-Erstellung nicht deutlich genug geäußert zu haben. „Es erscheint aus unserer Perspektive unverständlich, dass die genannten Fachgesellschaften ihre Kritik, über die man sicherlich diskutieren kann, nicht im Rahmen der Arbeit an der NVL einbringen, sondern stattdessen nach Abschluss des Leitlinienprozesses als öffentliche Stellungnahme formulieren. Es stellt sich die Frage, warum die kardiologischen Vertreterinnen und Vertreter nicht im Leitlinienprozess auf eine stärkere Berücksichtigung der geäußerten Kritik gedrängt haben.“

DGK: Rückzug „nach intensiven Diskussionen“

Diesen Vorwurf weist die DGK allerdings zurück. So erklärt der seit Sonntag amtierende DGK-Präsident Prof. Stefan Blankenberg auf Redaktionsanfrage, die DGK habe sich gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften wie der DGIM „nach intensiven Diskussionen“ aus dem Arbeitsprozess zur Erstellung der NVL KHK zurückgezogen. „Auch im Rahmen eines intensiven Diskurses konnte in ganz wesentlichen Punkten, wie beispielsweise der primären, Diagnose-relevanten Anwendung eines nicht ausreichend validierten Marburg-Herz-Scores bei symptomatischen Patient:innen, keine Einigung erzielt werden“, betont Blankenberg.

Möglichkeit eines NVL-Updates

Beide Seiten signalisieren jedoch Gesprächsbereitschaft. Man müsse „auch weiterhin den transparenten und ergebnisoffenen Dialog im gemeinsamen Ringen um die bestmögliche Evidenz suchen“, heißt es in der DEGAM-Stellungnahme. Zwar würde der derzeitige Neustart des NVL-Programms die Arbeit an der NVL limitieren, dennoch sieht man von Seiten der Allgemeinmediziner auch kurzfristig die Möglichkeit eines Addendums/Amendments nach üblichen Prozessen. Man spricht von einer Aktualisierung der NVL KHK, „sofern denn neue,
die Empfehlungen potenziell verändernde Evidenz vorliegt“.

Und auch die DGK ist laut Blankenberg an einem konstruktiven und konsensuellen Vorgehen gemeinsam mit der DEGAM interessiert. „Die Therapie sollte im Sinne unserer Patient:innen nach bestmöglichem Standard von Allgemein- und Fachmediziner:innen einheitlich und aus einem Guss gemäß neuester Studienerkenntnisse umgesetzt werden. Darauf haben wir im Verlauf der Leitlinienerstellung mehrfach hingewiesen. Wir freuen uns daher sehr über das Angebot, die NVL KHK gemäß moderner Standards gemeinsam mit der DEGAM zu überarbeiten und stehen hierfür jederzeit zur Verfügung.“

(ah)