OcuNet: “Politischer Wille zur Förderung größerer vertragsärztlicher Einheiten fehlt”19. Mai 2021 Foto (Symbolbild): © Gina Sanders – stock.adobe.com Der OcuNet Verbund, ein Zusammenschluss augenmedizinsicher Intersektoraler Zentren, kritisiert, dass in Deutschland Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder Berufsausübungsgemeinschaften nicht gefördert werden. Größe gelte eher als “kritisches Merkmal”, konstatiert OcuNet. Dabei könnten größere vertragsärztliche Einheiten bei Leistungsspektrum, Spezialisierungsgrad und Versorgungstiefe viel bieten. Die Einzelpraxis erscheine der Politik zwar immer noch als dominante Versorgungsform, doch ein Fachbeitrag* in „Das Gesundheitswesen“ zeige, dass sich die Angebotslandschaft in der vertragsärztlichen Versorgung wandele. “In gesundheitspolitischen Diskussionen scheint es oft, als würden Einzelpraxen und kleine Gemeinschaftspraxen die ambulante Versorgung dominieren”, betont Ocunet und räumt ein, Daten vor allem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wirkten auf den ersten Blick wie eine Bestätigung: Von mehr als 80.000 abrechnenden vertragsärztlichen Organisationen waren rund drei Viertel Einzelpraxen (Daten: 2018). Die Zahl der MVZ nehme zwar zu, doch ihr Anteil an allen vertragsärztlichen Organisationen sei mit vier Prozent gering gewesen. Nur ein knappes Viertel der Organisationen seien Gemeinschaftspraxen, führt der Verbund weiter aus, verdeutlicht dann aber, dass ein ganz anderes Bild entstehe, wenn man die Verteilung der Ärztinnen und Ärzte analysiere: “Rund die Hälfte arbeitete 2018 bereits in Gemeinschaftspraxen oder MVZ. 17 Prozent aller MVZ und Gemeinschaftspraxen, also jede(s) fünfte, waren interdisziplinär aufgestellt. Die durchschnittliche ärztliche Teamstärke lag in MVZ im Schnitt bei 5,9 und damit deutlich über dem Durchschnitt aller vertragsärztlichen Organisationen von nur 1,7.” „Das politische Leitbild für die ambulante Versorgung ist weitgehend unverändert die Einzelpraxis und kleine Gemeinschaftspraxis“, kommentiert Dr. rer. medic. Ursula Hahn, Geschäftsführerin des OcuNet Verbundes und Mitautorin des Fachbeitrags. „Das unterscheidet Deutschland von anderen OECD-Staaten mit dezentralen Gesundheitswesen. Aber auch hier haben sich längst vielfältige Versorgungsformen entwickelt, die in ihrer Differenzierung allerdings von der Politik gar nicht wahrgenommen werden.“ Große MVZ oder Gemeinschaftspraxen könnten beispielsweise ein umfangreiches Leistungsspektrum abbilden, einen Spezialisierungsgrad und eine Versorgungstiefe, die weit über das in einer Einzelpraxis Mögliche hinausgingen. Dass Teamarbeit in der medizinischen Versorgung Vorteile für Patienten mit einem komplexen Versorgungsbedarf biete, werde national und international immer wieder thematisiert. Gutachten: Daten zur Versorgungsqualität sollten vorliegen In Deutschland fehlt es nach Ansicht von OcuNet aber nicht nur am Willen, größere Einheiten zu fördern und ihr Know-how für die Versorgung zu nutzen. Es fehlten auch Daten zu Versorgungsunterschieden. Das habe auch das Gutachten “Stand und Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zu Medizinsichen Versorgungszentren (MVZ)” im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums vom November 2020** gezeigt. “Die Gutachter betonen unter anderem, dass die Datenbasis zur Versorgungsqualität je nach Organisations- und Besitzform unzureichend ist”, berichtet Ocunet. “Weder aus den üblichen Datenquellen noch durch eine ausführliche Recherche in wissenschaftlichen Datenbanken habe man ‘belastbare und aussagekräftige Daten’ zu Kosten- und Versorgungsdetails erhalten können.” Die Experten schlügen deshalb eine eigene vergleichende Analyse von Versorgungsdaten verschiedener ambulanter Einrichtungstypen und insbesondere MVZ vor. „Für ein besseres Verständnis, welche Organisationsformen welchen Einfluss auf das Versorgungsgeschehen haben, wäre solche Forschung wünschenswert. Sie wäre auch die Basis für eine strukturierte Versorgungssteuerung“, stimmt die OcuNet Geschäftsführerin zu. „Es reicht zum Beispiel nicht, ein unzureichendes medizinisches Angebot auf dem Land zu beklagen. Oder Versorgungslücken in einzelnen Fachdisziplinen. Wer daran etwas ändern will, benötigt Daten – vor allem über Regionen und Akteure, die genau hier Erfolg haben.“ *Fachbeitrag: Hahn U, Baulig C, Brzoska P. „Angebotsstrukturen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung: Deutschland und andere dezentral organisierte Gesundheitssysteme.“ Gesundheitswesen. 2021 Mar; published online.https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1390-3935.pdf **Rechtsgutachten „Stand und Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ):https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Ministerium/Berichte/Stand_und_Weiterentwicklung_der_gesetzlichen_Regelungen_zu_MVZ.pdf OcuNet Verbund: Der OcuNet Verbund ist ein deutschlandweiter verbandlicher Zusammenschluss von großen augenmedizinischen Intersektoralen Facharztzentren. In den voneinander unabhängigen augenmedizinischen IFZ arbeiten laut OcuNet selbstständige und angestellte Fachärztinnen und Fachärzte zusammen. Sie übernehmen in der Regel die gesamte Versorgung ihres Fachs – von der konservativen Grund- und Spezialversorgung über ambulante Operationen bis hin zur stationären Versorgung. IFZ sind entweder als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder als (überörtliche) Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aufgestellt. Außer in den Hauptbetriebsstätten werden auch an weiteren Leistungsstandorten wie Zweigpraxen oder belegärztlichen Abteilungen Patienten versorgt.Nach Angaben von OcuNet arbeiteten in den Zentren Ende 2018 insgesamt 783 approbierte Ärzte, davon waren 75 Prozent Fachärzte für Augenheilkunde – rund neun Prozent aller vertragsärztlich tätigen Augenärztinnen und -ärzte. In den Zentren waren zudem mehr als 3500 nicht ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
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