Ökosystemdienstleister Fledermaus: In Berlin ist ihr Speiseplan vielfältig11. Dezember 2024 Fledermäuse in der Stadt brauchen Dunkelkorridore. (Illustration) Abb.: © monströös/Leibniz-IZW Insektenfressende Fledermäuse finden in Städten weniger Nahrung als auf dem Land. Das scheint zu mehr Flexibilität bei der Auswahl zu führen. Der Speiseplan des Großen Abendseglers etwa ist in Berlin vielfältiger als der von rural lebenden Artgenossen. Der Verzehr potenzieller Krankheitsüberträger könnte der Stadtbevölkerung zugutekommen. Ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies durch genetische Analysen von Kotproben nach, dass die Fledermausart Großer Abendsegler in Berlin 55 Prozent mehr Insektenarten vertilgte als ihre Artgenossen im Umland. Zugleich verzehrten die Stadtfledermäuse doppelt so viele „Schad“insektenarten und sechsmal so viele „Lästlinge“ wie Stechmücken als ihre Artgenossen auf dem Land. Die Ergebnisse wurden in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Landscape and Urban Planning“ veröffentlicht. Urbanisierung führt gemeinhin zu einer Abnahme der Artenvielfalt. Dennoch kann ein Mosaik aus stark fragmentierten aber sehr unterschiedlichen Lebensräumen in Städten wie in Berlin auch eine relativ große Vielfalt beispielsweise von Insekten fördern. Insekten sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für Vögel und Fledermäuse. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Christian Voigt und Dr. Carolin Scholz vom Leibniz-IZW untersuchte nun die Nahrung der Fledermausart Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) in Berlin und den angrenzenden ländlichen Regionen. Über drei Jahre sammelte das Team Fledermauskotproben und analysierte diese mit der Metabarcoding-Methode zur Identifizierung der Fledermausart, von der die Kotproben stammte, sowie der Insektenarten in der Nahrung selbst, wie sie in den Kotproben dokumentiert wurde. In den Kotproben des Großen Abendseglers wiesen sie insgesamt 129 Insektenarten nach. Am häufigsten kamen die Zuckmückenart Chironomus tepperi, der Eichelbockkäfer Curculio glandium und der Waldbockkäfer Spondylis buprestoides vor.Die Nahrung der Abendsegler in Berlin erwies sich dabei als deutlich vielfältiger als die ihrer Artgenossen aus dem Umland. „Obwohl es insgesamt weniger Insekten in der Stadt gibt und Stadtfledermäuse einen geringeren Jagderfolg aufweisen, wodurch sie insgesamt weniger Insekten verzehren als ihre Verwandten auf dem Land, ist die Zusammensetzung ihrer Nahrung im Durchschnitt um 55 Prozent vielfältiger“, fasst Scholz zusammen. „Die Stadtfledermäuse verzehrten 83 Insektenarten, die nicht auf dem Speiseplan ländlicher Artgenossen standen, während Fledermäuse auf dem Land lediglich 27 Arten exklusiv fraßen. Nur 15 Prozent der nachgewiesenen Arten fanden wir sowohl bei Abendseglern im Stadt- als auch im Landlebensraum.“ Dies könne an einer kleinräumig höheren Vielfalt im Nahrungsangebot in der Stadt und an größeren Aktionsradien bei der Nahrungssuche der Stadtfledermäuse liegen. „Insekten kommen in städtischen Gebieten weniger häufig und relativ isoliert vor. Dies könnte dazu führen, dass Fledermäuse in Städten eher opportunistisch jagen, anstatt sich auf bestimmte Beutetiere zu konzentrieren, was zu einer vielfältigeren Ernährung führt“, so Scholz.Die größere Vielfalt der Nahrung zeigt sich auch an den „Schädlingen“ und „Lästlingen“ wie Stechmücken, die die Abendsegler vertilgten. Etwa ein Drittel der in den Kotproben nachgewiesenen Insektenarten waren Arten, die beispielsweise als Agrarschädlinge (20 Arten) oder Lästlinge (6 Arten) gelten. Zwei Drittel der Stadtproben und gut die Hälfte der Landproben enthielten mindestens eine dieser Arten. „Unter dem Strich verzehrten Große Abendsegler in Berlin rund zweieinhalbmal so viele landwirtschaftliche Schädlinge wie ihre ländlichen Artgenossen“, sagt Voigt. „Bei den Lästlingen wie Mücken sind es sogar sechsmal so viele Arten.“ Dies unterstreiche die Bedeutung von Fledermäusen als Ökosystemdienstleister für den Menschen – auch in Städten. Fledermäuse helfen also der menschlichen Stadtbevölkerung durch den Verzehr potenzieller Krankheitsüberträger. Dies wird in Zeiten von sich ausbreitenden Krankheiten wie Westnilvirus und Dengue-Fieber zunehmend wichtig. Auch aus diesem Grund sollte die Stadt als Mosaik unterschiedlicher, wertvoller Lebensräume erhalten und Dunkelkorridore zur Verbindung dieser fragmentierten Nahrungsquellen geschützt und ausgebaut werden, damit Fledermäuse uns diesen Dienst erweisen können.
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