Ösophaguskarzinom: Neue Endoskopie-Technologie ermöglicht frühzeitige Erkennung

Kapsel beim Scannen eines menschlichen Resektats des Ösophagus. Foto: ©Helmholtz Munich / Christian Zakian

Forschende von Helmholtz Munich, der Technischen Universität München (TUM) und der Medizinischen Universität Wien haben gemeinsam ein innovatives Bildgebungsverfahren namens „O2E“ entwickelt.

Damit können Kliniken Krebsläsionen in der Speiseröhre mit bislang unerreichter Präzision erkennen. Die im Fachjournal „Nature Biomedical Engineering“ veröffentlichte Studie zeigt, dass die neue Endoskopie-Technologie selbst kleinste krankhafte Gewebeveränderungen sichtbar macht – und damit die frühzeitige Diagnose erheblich verbessern könnte.,

Speiseröhrenkrebs zählt zu den tödlichsten Krebsarten: Wird er erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt, liegt die Überlebensrate bei nur etwa zehn Prozent. Wird die Erkrankung jedoch frühzeitig diagnostiziert, überleben rund 90 Prozent der Betroffenen. Die neue O2E-Technologie könnte künftig helfen, Gewebeveränderungen sehr viel früher zu erkennen.

Frühere Diagnose durch duales Bildgebungssystem

O2E kombiniert zwei Verfahren in einer neuartigen Endoskopie-Technologie: Während die optische Kohärenztomographie (OCT) mikroskopische Gewebestrukturen erfasst, macht die optoakustische Bildgebung kleinste Blutgefäße auch in tieferen Gewebeschichten sichtbar. Bei dieser Art der Bildgebung werden Gewebe mit Lichtimpulsen angeregt und entstehende Ultraschallsignale ausgewertet. Durch die Kombination beider Verfahren entstehen hochauflösende 3D-Bilder der Gewebestruktur und -durchblutung. Beide Sensoren sind in einer Endoskopie-Kapsel integriert, die das Gewebe in einem vollständigen 360-Grad-Winkel scannt.

„Unser duales Bildgebungssystem macht kritische Merkmale früher Krebsläsionen sichtbar – darunter mikroskopische Veränderungen unterhalb der Schleimhautoberfläche und feinste mikrovaskuläre Auffälligkeiten, die mit bisherigen Methoden nicht erkannt werden konnten“, erklärt Prof. Vasilis Ntziachristos, Direktor des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung bei Helmholtz Munich und Lehrstuhlinhaber an der TUM.

In ihrer Pilotstudie untersuchten die Forschenden die Speiseröhren von Tieren sowie Gewebeproben von Patienten mit Barrett-Ösophagus. Dabei konnten sie klare Unterschiede zwischen gesundem Gewebe, Gewebe mit Zellveränderungen, Krebsvorstufen und bösartigen Tumoren identifizieren. Eine erste Machbarkeitsstudie wurde an der Lippeninnenseite eines Probanden durchgeführt – einem Gewebe, das ähnliche Eigenschaften wie die Speiseröhre aufweist.

Nächste Schritte: Optimierung für klinische Anwendungen

Aufbauend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen wurde 2025 ein neues EIC-Pathfinder-Projekt namens ESOHISTO bewilligt und gestartet. Gefördert von der Europäischen Union unterstützen EIC-(Europäischer Innovationsrat)Pathfinder-Projekte Frühphasenforschung mit hohem Risiko, die das Potenzial hat, bahnbrechende Innovationen voranzutreiben. Die Forschenden arbeiten nun daran, die Kapseltechnologie weiter zu optimieren, um eine hochqualitative Bildgebung für den Einsatz am Menschen sicherzustellen.

„Wir planen außerdem die Integration konfokaler Endo-Mikroskopie – einer Technik, die hochauflösende Echtzeitaufnahmen zellulärer Strukturen ermöglicht – um während der Untersuchung eine detailliertere Analyse zu erlauben“, erklärt Dr. Qian Li, Erstautor der Studie von der Medizinischen Universität Wien. „Das könnte den Weg für eine hochauflösende endoskopische molekulare Bildgebung ebnen, mit der wir gezielt bestimmte molekulare Marker bei Krebs adressieren können.“ Letztlich hoffen die Forschenden, dass ihr Ansatz die Notwendigkeit mehrerer Biopsien verringert und diagnostische Prozesse in Zukunft beschleunigt.

ESOHISTO wird die Technologie weiterentwickeln und validieren, um sie auf eine spätere Markteinführung vorzubereiten. Neben den offensichtlichen Vorteilen für Patienten sind die Forschenden überzeugt, dass auch das Gesundheitssystem von dieser Früherkennungstechnologie profitieren würde. Während die Behandlung von fortgeschrittenem Speiseröhrenkrebs typischerweise rund 140.000 Euro pro Patient kostet, könnten die Kosten bei frühzeitiger Diagnose auf etwa 10.000 Euro sinken. Früherkennung rettet also nicht nur Leben, sondern führt auch zu erheblichen Einsparungen im Gesundheitswesen.

Über die Forschenden

Prof. Vasilis Ntziachristos leitet das Bioengineering Center sowie das Institut für Biologische und Medizinische Bildgebung bei Helmholtz Munich. Zudem ist er Inhaber des Lehrstuhls für Biologische Bildgebung an der Technischen Universität München (TUM) und Gründungsmitglied sowie Mitglied des Direktoriums von TranslaTUM, dem Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung der TUM. Am TranslaTUM arbeiten Forschende aus Medizin, Ingenieur- und Naturwissenschaften eng zusammen, um Erkenntnisse aus der Krebsforschung schnell in klinische Anwendungen zu überführen.

Dr. Qian Li ist Wissenschaftler am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Medizinischen Universität Wien. Er gehört zu den Hauptforschenden der genannten EU-Projekte ESOTRAC und ESOHISTO, die das Ziel verfolgen, neue endoskopische Technologien zur minimalinvasiven und frühzeitigen Erkennung von Speiseröhrenkrebs zu entwickeln.