Operative Rheumatologie im Wandel der Zeit16. September 2021 Foto: StudioLaMagica – stock.adobe.com Auch wenn Medikamente die Zerstörung von Sehnen und Gelenken mittlerweile verhindern können, bleiben Operationen bei Menschen mit Rheumatoider Arthritis (RA) notwendig, insbesondere bei „rebellischen Gelenken“, die nicht auf die Medikamente ansprechen. “Früher war es nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit Rheumatoider Arthritis in ihrem Leben mehrfach an Sehnen und Gelenken operiert wurden”, berichtete Prof. Hans-Dieter Carl, diesjähriger Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) auf der Pressekonferenz anlässlich des Rheumatologiekongresses. „Die Synovialektomie, bei der die entzündete Gelenkhaut entfernt wird, und die Tenosynovialektomie, die die Sehnen befreit, waren oft die einzige Möglichkeit, den Krankheitsprozess zu stoppen“, erläuterte der Chefarzt am Krankenhaus Martha-Maria in Nürnberg. „Betroffene litten unter Fehlstellungen von Händen und Füßen sowie fortgeschrittenen Gelenkschädigungen. Im fortgeschrittenen Stadium benötigten viele Patienten ein oder mehrere Kunstgelenke. Und wenn dies nicht möglich war, mussten einzelne Gelenke auf Dauer versteift werden“, so Carl weiter. Dieses Schicksal bleibt den meisten Patienten heute erspart, da sie durch entsprechende Gelenke in Remission gelangen. „Die Situation hat sich durch die Einführung von Biologika und anderen sogenannten Basismedikamenten komplett verändert“, konstatierte Carl. „Mittlerweile dürfen wir erleben, dass in vielen Fällen entzündlich-rheumatische Erkrankungen durch Medikamente so gut kontrolliert werden können, dass Betroffene keinerlei Krankheitssymptome mehr verspüren.” So habe im Laufe der Zeit auch die operative Rheumatologie einen Wandel erfahren: “Wir führen weniger operative Entfernungen von entzündlichem Gewebe durch und auch künstliche Gelenke werden seltener eingesetzt als noch vor 20 Jahren“, berichtete Carl. „Rebellische Gelenke“ Dennoch bleiben Operationen oftmals bei „rebellischen Gelenken“ nötig. Trotz guter Krankheitskontrolle bleiben sie weiterhin schmerzhaft und geschwollen. Ist auch der Wechsel auf ein anderes Basismedikament erfolglos, rät der Orthopäde zu einer Synovialektomie: „Die Erfolgschancen sind wie bei den Medikamenten umso besser, je früher die Behandlung erfolgt. Zeit ist Gelenk – das gilt auch hier.“ Verbesserte Operationsverfahren Ein weiterer Fortschritt der letzten Jahre sind laut Carl verbesserte Operationsverfahren zum Erhalt der Gelenke: „Die modernen Medikamente führen zu einer guten Krankheitskontrolle. Diese ermöglicht, dass wir heute neue Operationstechniken anbieten können, die früher für Rheumapatienten nicht empfohlen wurden“, so der orthopädische Rheumatologe. Mittlerweile vereine die operative Rheumatologie also Kenntnisse der modernen orthopädischen Chirurgie und der klassischen operativen Rheumatologie. Dazu gehörten Eingriffe, die die natürliche Achse eines Beines rekonstruieren und dadurch Folgeschäden etwa am Kniegelenk verhindern. Auch die Funktion erkrankter Fußgelenke könne durch gezielte Operationen oft gewährleistet werden. Carl betonte: „Unser Ziel ist es immer, die Mobilität des Patienten im Alltag zu erhalten.“ Auch an den Händen können Operationen die Stabilität der Gelenke sicherstellen und damit wichtige Funktionen wie das Greifen von Gegenständen ermöglichen. Herausforderung Medikamentenmanagement und Infektionsrisiko Die neuen Medikamente erlauben zwar eine gute Krankheitskontrolle, können aber auch bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führen, was die orthopädische Rheumatologie heute vor weitere Herausforderungen stellt: Es gelte interdisziplinär zu entscheiden, wann die Medikamente vor einem Eingriff abgesetzt werden sollten. Zudem müsse Infektionen der Knochen und Weichteile mehr denn je vorgebeugt werden, betonte Carl. Gebündelte Fachkompetenz: Spezialzentren für operative Rheumatologie Um den bestehenden hohen Herausforderungen bei der operativen Behandlung entzündlich-rheumatischer Krankheiten optimal zu begegnen und hohe Qualitätsstandards bei den Operationen zu gewährleisten, hat die DGORh bundesweit Spezialzentren für operative Rheumatologie gegründet. „In diesen zertifizierten Zentren können sich Patienten von den Experten umfassend beraten und behandeln lassen“, so der Experte. Auch wenn diese nicht immer im Umkreis der Erkrankten liegen, sei er zuversichtlich, dass Betroffene auch immer einem solchen Zentrum zugeführt werden können. Literatur:Sell S.: Veränderte Indikationsstellung zu operativen Eingriffen in der Rheumaorthopädie? OUP 2014;9:396–400 DOI 10.3238/oup.2014.0396–0400
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