Opioid-Krise: Freundschaften als Risiko22. Februar 2024 Symbolfoto: ©Halfpoint/stock.adobe.com Junge Erwachsene, deren Freunde aufgrund eines körperlichen Leidens Opioide einnehmen, haben ein höheres Risiko, Opioide zu missbrauchen. Zu diesem Schluss gelangt ein jüngst vom ZEW Mannheim veröffentlichtes Diskussionspapier. Das persönliche Umfeld ist eine der wichtigsten illegalen Bezugsquellen zum Missbrauch opioidhaltiger Schmerzmittel bei jungen Erwachsenen in den USA. Laut Daten des National Survey on Drug Use and Health (NSDUH) haben im Jahr 2010 mehr als die Hälfte aller Opioid-missbrauchenden US-Amerikanerinnen und -Amerikaner im Alter zwischen 25 und 34 Jahren die Medikamente aus dem Freundes- und Familienkreis erhalten. Meist, nachdem diese Menschen wegen schwerwiegender Verletzungen oder Operationen die verschriebenen Mittel übrig hatten. Der Anteil sank in den Jahren 2015 und 2019 auf 46 bzw. 35 Prozent. Opioidmissbrauch war im NSDUH definiert als jede von der ärztlichen Anweisung abweichende Opioideinnahme (keine Verschreibung, in größeren Mengen, häufiger oder länger als vorgeschrieben). Über 50 Prozent gab als Grund für einen solchen Opioidmissbrauch in 2015 physische Schmerzen an. Laut den Verfassern des aktuellen Diskussionspapiers sind nahestehende Personen aber nicht bloß Beschaffer von Opioiden, sondern auch ein wichtiger Treiber für die Entwicklung eines Opioidmissbrauchs. Das Papier fokussiert sich unter Verwendung der Daten des National Longitudinal Survey of Adolescent Health (Add Health) dabei speziell auf die Rolle von Freundschaften. Es wurde von Forschenden vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim und weiteren Forschungseinrichtungen in den USA und Spanien verfasst. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass das persönliche Umfeld nicht nur die Quelle für Medikamente, sondern auch maßgeblich für deren Missbrauch ist. Es sind dringend weitere Präventionsmaßnahmen notwendig, um die Opioidepidemie in den USA einzudämmen. Eine stärkere Aufklärung der Jugendlichen über die Risiken von Drogen könnte helfen, beispielsweise mit Kampagnen in TV und Social Media“, sagt Ko-Autorin Dr. Effrosyni Adamopoulou, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“. Längsschnittdaten seit 1994 ausgewertet Add Health erhebt seit 1994 Längsschnittdaten zum Gesundheitszustand der US-amerikanischen Bevölkerung in mehreren Wellen erhebt. An der ersten Befragungswelle nahmen mehr als 20.000 Personen im High-School-Alter teil. Die Forschenden nutzten Daten aus drei Wellen. Die Daten beinhalten unter anderem Informationen zu Demographie, Gesundheit und Elternhaus. Zudem wurden Interviews zu Hause durchgeführt, die unter anderem enge Freundschaften abfragten. Die Daten von Freundinnen und Freunden waren ebenfalls Teil der Erhebung und konnten ausgewertet werden. „Um sicherzustellen, dass die Freundschaft bereits vor dem Medikamentenkonsum bestand, haben wir die Daten von Opioid-missbrauchenden Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren und deren besten Freundinnen oder Freunden aus Schulzeiten ausgewertet. Die Freundschaften wurden also mindestens 14 Jahre vor der Untersuchung geschlossen. Sie sind demnach nicht wegen der Medikamente in Kontakt zu einander gekommen. Der Medikamenten-Missbrauch entstand umgekehrt durch die Freundschaft“, erläutert Adamopoulou die Herangehensweise der Studie. Zusammenhang zwischen Freundschaft und Opioid-Missbrauch Der Analyse zufolge missbrauchten im Jahr 2008 insgesamt 17 Prozent der Befragten zwischen 25 und 34 Jahren Schmerzmittel. Die Forschenden haben den Einfluss des Freundeskreises untersucht, um zu sehen, wie sich dieser Missbrauch entwickelt. Hier zeigte sich: Ist man mit einer Person befreundet, die in den vergangen zwölf Monaten eine schwere Verletzung oder einen operativen Eingriff hatte, so ist es um sieben Prozentpunkte wahrscheinlicher, selbst Opioide zu missbrauchen. Der Peer-Effekt wirkt sich laut den Autoren besonders stark auf Menschen ohne Hochschulabschluss aus. Während die Wahrscheinlichkeit für Menschen mit College-Abschluss um drei Prozentpunkte steigt, nimmt sie für Menschen ohne Abschluss sogar neun Prozentpunkte zu. „Wir sehen einen besorgniserregenden Zusammenhang zwischen Freundschaften und dem Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten in den USA. Studien belegen, dass der anfangs leichte Zugang zu Opioiden später zu einer Abhängigkeit von illegalen, aber preislich billigeren Drogen wie Heroin und auch zu Straftaten wie Kindesmissbrauch führen kann. Es entwickelt sich eine Spirale, die das gesamte restliche Leben der Betroffenen massiv negativ beeinflusst“, sagt Adamopoulou. Das ZEW ist ein gemeinnütziges wirtschaftswissenschaftliches Forschungsinstitut in der Rechtsform einer GmbH und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Diskussionspapier wurde auf der Website des ZEW veröffentlicht. „Mit diesen Beiträgen beteiligen sich die Forscher/innen des ZEW an wissenschaftlichen Fachdebatten. Die Publikationen enthalten vorläufige Beiträge, die zur Veröffentlichung in Fachzeitschriften vorgesehen sind“, schreibt das ZEW zum Hintergrund seiner Diskussionspapiere. (ah)
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