Opioide als wirksame Mittel im Kampf gegen den Schmerz?21. Oktober 2020 © M.Rode, AdobeStock Weltweit gehört Deutschland zu den Ländern mit den meisten Opioidverordnungen – rund 70 Prozent davon erfolgen bei chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen (CNTS). Dennoch liegt in Deutschland keine Opioidkrise vor, sagten Experten auf der heutigen (21.10.) Online-Pressekonferenz zum Deutschen Schmerzkongress 2020 und fordern einen kritischen Umgang mit Opioiden. Die Behandlung chronischer Schmerzen – tumorbedingt oder nicht tumorbedingt – ist eine Herausforderung. Häufig kommen dabei Opioide zum Einsatz. Sie gehören zu den stärksten Schmerzmitteln. „Da mit der Verwendung der Schmerzhemmer bei CNTS zahlreiche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit einhergehen – und gleichzeitig die Wirkungbei CNTS bei vielen Patienten nur gering ist –, sollte ihr Einsatz, gerade auch wegen des Risikos einer Abhängigkeit, kritisch hinterfragt und überprüft werden“, sagt Prof. Frank Petzke von der Abteilung Schmerzmedizin der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen. Das hätten beispielsweise die dramatischen Erfahrungen mit der Opioidkrise in den USA gezeigt, die durch die unkritische Verordnung medizinischer Opioide mit ausgelöst und unterhalten wurde. Mittlerweile wird die Krise durch die illegale Einnahme von Heroin und illegal hergestelltem Fentanyl und Fentanylanaloga verschärft. 2018 gab es in den USA circa 46.000 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Opioid-Überdosierung, davon etwa ein Drittel durch medizinisch verordnete Opioide. Geschätzt 1,7 Millionen Amerikaner sind von medizinisch verordneten Opioiden abhängig, berichtet dDie Deutsche Schmerzgesellschaft. Gerade weil in Deutschland im weltweiten Vergleich viele Opioidverordnungen durchgeführt werden, beobachten Schmerzexperten laut der Fachgesellschaft die Entwicklungen hierzulande mit einem kritischen Blick. Von einer Opioidkrise wollen sie jedoch nicht sprechen – auch wenn Unter-, Fehl- und Überversorgungen im klinischen Alltag zu finden sind. „Damit die Gabe der Schmerzhemmer sozusagen in kontrollierten Bahnen erfolgt, hat es sich die Deutsche Schmerzgesellschaft bereits früh zur Aufgabe gemacht, Einsatzgebiete und Grenzen einer Schmerztherapie mit Opioiden zu definieren und Vorschläge für eine gute klinische Praxis zu erarbeiten“, erklärte Petzke. Die Aktivitäten in diesem Bereich erfolgen schon seit vielen Jahren: Bereits 2009 erschien die erste Version einer Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS). Darin wurde darauf hingewiesen, dass Opioide im Durchschnitt nur geringe Wirkeffekte bei CNTS zeigen und dass deren Einsatz verantwortungsvoll erfolgen sollte. Zum Ausbleiben einer Opioidkrise in Deutschland trägt nach Einschätzung von Schmerzexperten zum einen diese Leitlinie bei, zum anderen auch das Gesundheitswesen: Hier werden auch Kosten für die oft wirksameren, nicht medikamentösen Schmerztherapien erstattet und Opioidverschreibungen reguliert. Ein interdisziplinäres Team unter Beteiligung von Vertretern aus 30 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie von zahlreichen Organisationen hat unter der Koordination der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. nun die dritte Version von LONTS erarbeitet (siehe unten stehender Link). Die Experten haben darin mögliche Indikationen, aber auch Kontraindikationen für Opioide bei CNTS definiert und Voraussetzungen für eine seriöse Entscheidungsfindung und Therapiebegleitung geschaffen. „In der überarbeiteten Leitlinie haben wir beispielsweise die Indikationen für eine Opioidbehandlung von mehr als vier Wochen bei chronischen Rücken- und Arthroseschmerzen weitereingeengt“, sagt Petzke. Behandler und Patienten müssten demzufolge bereits vor Beginn der Behandlung gemeinsam Therapieziele definieren, sozusagen als zukünftige Marker eines individuellen Therapieerfolgs. Zudem haben die Experten in enger Zusammenarbeit mit suchtmedizinischen Experten in der Leitlinie diagnostische Kriterien zur Identifikation eines missbräuchlichen/abhängigen Gebrauchs von medizinisch verschriebenen Opioiden und Empfehlungen für Therapien erarbeitet. „Die Leitlinie soll Therapeuten und Patienten bei der individuellen Entscheidung unterstützen, wann Opioide bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen sollten und wann nicht“, fasst der Schmerzexperte zusammen. Der Schmerzkongress findet in diesem Jahr online statt. Veranstalter sind die DeutscheSchmerzgesellschaft e.V. und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) e.V. Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS)
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