Optogenetik: Blinde Netzhaut wieder lichtempfindlich machen27. November 2024 Symbolbild.©RFBSIP-stock.adobe.com Bisher gibt es keine Therapien, die das Augenlicht wiederherstellen können. Basler Wissenschaftler haben sich vorgenommen, das zu ändern. Blind zu werden ist ähnlich gefürchtet, wie an Krebs oder Alzheimer zu erkranken. Das zeigen verschiedene Umfragen. In Industrieländern gehören die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) und erbliche Netzhauterkrankungen zu den häufigsten Ursachen für Blindheit. „Die Forschung an Therapien, um die Sehkraft wiederherzustellen, hat lange kaum Fortschritte gemacht“, berichtet Bence György, Assistenzprofessor an der Universität Basel und Leiter der Forschungsgruppe für Translationale Augenforschung am Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB). Der Forscher und sein Team wollen Ergebnisse aus grundlegenderen Forschungsarbeiten in die klinische Praxis überführen. Sie arbeiten an einer Methode, eine blinde Netzhaut wieder lichtempfindlich zu machen. Dafür statten die Wissenschaftler Lichtsinneszellen, die ihren Lichtsensor verloren haben, mit einem neuen aus. Ein erster Teilerfolg Vor wenigen Jahren gelang es Wissenschaftlern um Botond Roska, Professor an der Universität Basel und Direktor des IOB, ein Lichtsensorprotein in Ganglienzellen einzubauen. Ein Patient, der aufgrund der Erbkrankheit Retinitis pigmentosa erblindet war, erhielt so einen Teil seiner Sehkraft zurück. Das Bild, das der Behandelte anschließend wahrnehmen konnte, war jedoch alles andere als klar. „Wenn man die Ganglienzellen lichtempfindlich macht, überspringt man einen großen Teil der Verarbeitungsschaltkreise in der Netzhaut“, erklärt György. Demzufolge kommt ein sehr verzerrtes Bild heraus. Deshalb wollten György und sein Team herausfinden, ob bei blinden Patienten nicht doch noch Lichtsinneszellen in der Retina vorhanden sind, die man wieder lichtempfindlich machen könnte. Der Fokus lag dabei auf den Zapfen, die für das alltägliche Sehen die Hauptrolle spielen. In der sogenannten Sehgrube, die das Zentrum des Blickfelds erfasst, stehen die Zapfen dicht an dicht. Sie erlauben uns beispielsweise, zu lesen oder Gesichter zu erkennen. Die Forscher untersuchten im Rahmen der EyeConic-Studie die Sehgrube in rund 400 komplett erblindeten Augen von 286 Patientinnen und Patienten. Dabei stellte sich heraus, dass in fast zwei Dritteln der Fälle noch Zapfen vorhanden waren. Bei einem Drittel sogar ungefähr in normaler Anzahl. „Das war eine Überraschung und ist eine wichtige Voraussetzung für unsere Idee, eine breit anwendbare Therapie zu entwickeln, die nicht nur für eine kleine Gruppe an Betroffenen funktioniert“, betont György. Genauere Analysen boten ein klareres Bild: Ein hervorstehender Teil der Zapfenzellen, der die lichtempfindlichen Proteine enthält, stirbt ab. Die Zellkörper überleben jedoch bei einer Mehrheit, reagieren aber nicht mehr auf Licht. Neuer Lichtsensor für blinde Zellen „Das nächste Problem war, zu prüfen, wie wir spezifisch die Zapfen mit einem neuen Lichtsensor ausstatten konnten“, erklärt György. Hier kam eine Technik namens Optogenetik ins Spiel. Hierbei lassen sich mit molekularbiologischen Methoden lichtsensitive Proteine in Nervenzellen einbauen, sodass man sie gezielt mit Licht aktivieren kann. Die Forscher entwickelten einen solchen optogenetischen Lichtsensor und testeten ihn an menschlicher Netzhaut, die aus Organspenden stammte. Wenn man eine solche Retina auf einem feinen Netz von Elektroden platziert, lässt sich ihre schwindende Aktivität messen. Nachdem die Wissenschaftler ihr mittels Gentherapie den genetischen Bauplan für den Lichtsensor eingebaut hatten, zeigte die Netzhaut wieder lichtabhängige Aktivität – auch Wochen nach der Organentnahme. Tierversuche erbrachten ähnlich vielversprechende Ergebnisse. Das damit erzeugte Sehvermögen dürfte dem eines gesunden Auges zumindest in Sachen Schärfe relativ nahekommen, wie die Forscher berichten. Allerdings müsse man sich das wahrgenommene Bild in Graustufen vorstellen. Noch gelingt es den Forschern nicht, die verschiedenen Zapfentypen für blaues, rotes und grünes Licht mit unterschiedlichen Lichtsensoren für verschiedene Wellenlängen auszustatten. Das stehe jedoch auf der Liste an Weiterentwicklungen, die noch kommen könnten, wenn sich der Ansatz in der klinischen Praxis bewährt. Um die Weiterentwicklung der Therapie bis dahin voranzutreiben, haben die Forscher ein Spin-off in Basel namens „RhyGaze“ gegründet. Erste klinische Studien mit Patientinnen und Patienten, die vollständig blind sind, aber noch Zapfen in ihrer Retina haben, dürften 2026 starten, schätzt György. Dann wird sich zeigen, ob sich die Hoffnung der Wissenschaftler bewahrheitet und Blinde mit dieser Therapie einen großen Teil ihrer Sehkraft zurückbekommen.
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